Schorr (Schor, Szor), Anshel (Anshul, Anszel) (1871-1942), Theaterdirektor, Schriftsteller und Regisseur

Schorr (Schor, Szor) Anshel (Anshul, Anszel), Theaterdirektor, Theaterschriftsteller und Regisseur. Geb. Złoczów, Galizien (Zoločiv, Ukraine), 25. 10. 1871; gest. New York, N.Y. (USA), 31. 5. 1942. Aus chassid. Familie, Sohn eines Lehrers; mos. S., der mit seinen Eltern sechsjährig nach Lemberg (L’viv) gekommen war und vorerst von seinem Vater, dann in einer Talmudschule (Jeschiwa) unterrichtet wurde, arbeitete mit dreizehn Jahren in einem Ledergeschäft, verbrachte die Abende jedoch vorwiegend im Theater, das eine starke Faszination auf ihn ausübte: Er sprang zeitweise als Souffleur ein und wollte selbst Schauspieler werden. Für den von ihm mitbegründeten sozialist. Jugendver. Siła verfaßte er sein erstes jidd. Theaterstück, „Di shvue bay der royten fon“ (Der Schwur bei der roten Fahne, 1887/88), für das neugegründete jidd. Theater Gimpel in Lemberg übers. er „Migdal oz“ (Burgturm) von Moses Chajim Luzzatto aus dem Hebr. ins Jidd. Schließl. lief S. von zu Hause fort, um sich einer Wandertruppe anzuschließen, die 1888/89 nach Bulgarien, Rumänien usw. auf Tournee ging und für die er ein Stück über die Affäre Dreyfus („Kapitan Dreifus“, 1894) verfaßte, das mit großem Erfolg aufgef. wurde. Um 1900 wurde S. von Moshe Horwitz an dessen Windsor Theatre nach New York engagiert, zunächst als Schauspieler, dann als Regieass., bald danach wurde er auch Sekretär des jidd. Schauspielerverbandes. Ab 1906 inszenierte S. selbst mit großem Erfolg an verschiedenen Theatern, die sich mit seinen Auff. sanierten. 1912–25 führte er ein eigenes Theater in Philadelphia (das erste ständige Theater in dieser Stadt) mit den besten jidd. Schauspielern seiner Zeit, wie Maurice Schwartz, Molly Picon, Ludwig Satz usw., danach leitete er das Liberty Theatre in Brooklyn. Neben zahlreichen Bearb. und Übers. verfaßte S. – allein oder gem. mit anderen Autoren – an die 30 Theaterstücke, Libretti für Operetten und kom. Opern in reinem Jidd. – ohne literar. Prätentionen, jedoch nie unter einem bestimmten Niveau –, die z. Tl. Welterfolge auf jidd. Bühnen wurden, wie etwa „Di almone“ (Die Witwe, eine Bearb. von Moshe Richters „Moshe Khait“), „A mentsh zol men zeyn“ (Ein Mensch soll man sein, gem. mit Moshe Schorr, 1904 aufgef.), „Shir hashirim“ (Das Lied der Lieder, uraufgef. 1911, gedruckt ca. 1918, 1935 verfilmt) und „Dos meydl fun der vest“ (Das Mädchen aus dem Westen, aufgef. 1910; in Europa: „Di amerikanerin“). Unter seiner Regie kamen in den USA erstmals Operetten in Jidd. auf den Spielplan; seine Songs wurden zu Schlagern. S., der in der Theaterwelt als sicherer Erfolgsgarant galt, kümmerte sich selbst um alles: um die Kostüme, das Bühnenbild und v. a. um die Schauspieler, die er zu motivieren verstand und um deren Engagement er oft verbissen kämpfte, die aber auch anderseits seine Verläßlichkeit bei der Gagenauszahlung schätzten. S. unternahm mehrmals Tourneen nach Europa, zuletzt 1928–30 mit seiner Frau Dora Weissman nach Polen und Rumänien, von wo er schwer krank zurückkehrte, und war 1933 neuerl. auf Tournee in Argentinien. Einige seiner Stücke wurden in Warschau ohne sein Wissen gedruckt, viele sind im Manuskript im Inst. for Jewish Research (YIVO) in New York erhalten. Hin und wieder publ. er in Z. über jidd. Theater, u. a. in „Yidishe velt“ (Philadelphia), 1933–34, „Der Morgen“ (Lemberg), 1925.

W.: s. u. bei Zilbercweig (Zilbercwaig).
L.: New York Times, 1. 6. 1942; Universal Jew. Enc.; Wininger; Z. Rejzen, Leksikon fun der yidisher literatur prese un filol. 4, 1928, Sp. 563ff. (mit Bild); S. Perlmuter, Yidishe dramaturgn un teater-kompozitors, 1952, S. 111ff.; Z. Zilbercweig (Zilbercwaig), Leksikon fun yidishn teater 4, 1963, Sp. 2907ff. (mit Bild); Leksikon fun der nayer yidisher literatur 8, 1981; American Jewish Biography 2, 1994; Mitt. Gabriele Kohlbauer-Fritz, Wien.
(A. L. Staudacher)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 145
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