Schottlaender (Schottländer), Julius (Gustav Adam) (1860-1917), Mediziner

Schottlaender (Schottländer) Julius (Gustav Adam), Mediziner. Geb. St. Petersburg (Rußland), 31. 3./12. 4. 1860; gest. Kiel (Deutschland), 29. 5. 1917. Sohn eines Fabriksdir.; mos., später evang. Einer estländ.-dt. Familie entstammend, besuchte er nach Hausunterricht in St. Petersburg ab 1869 die Schule in Zürich, 1872–77 das kantonale Gymn., ab 1877 das Ernestinum in Gotha und stud. ab 1880 Med. an der Univ. Heidelberg, während des Wintersemesters 1884/85 in München, legte 1886 in Heidelberg das ärztl. Staatsexamen ab und wurde 1888 zum Dr. med. prom. S. arbeitete schon ab 1886 als Ass. bei Ferdinand Adolph Kehrer in Heidelberg, 1888 am Anatom. Inst. in Kiel, 1889 an der Privatanstalt für Frauenkrankheiten in Berlin und war 1890–92 mit wiss. Arbeiten befaßt sowie auf Reisen. 1893 in Heidelberg für Gynäkol. habil. und in die Prüfungskomm. für das med. Staatsexamen berufen, wurde er 1897 großherzogl. bad. ao. Prof., 1903 Leiter des Laboratoriums der von Alfons v. Rosthorn (s. d.) geleiteten Frauenklinik und folgte diesem, zu dem er in wiss. und freundschaftl. Kontakt getreten war, 1908 an die Univ. Wien, wo er die Leitung des Laboratoriums der II. Frauenklinik übernahm und vorerst als Doz., ab 1911 als Tit. ao. Prof. lehrte. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs stand er, 1882 als Einjährig-Freiwilliger in die K. Dt. Marine eingetreten und 1901 zum Stabsarzt der Seewehr der Res. avanciert, dem Statist. Rapportsbureau des Sanitätsamtes der Ostseestation der K. Dt. Marine, ab 1915 als Oberstabsarzt, in Kiel vor, wo er verstarb. S. beschäftigte sich fast ausschließl. mit patholog.-histolog. Problemen. Die Ergebnisse legte er in 30 auf intensivster Detailbeobachtung und verfeinerter Diagnostik basierenden Publ. vor, von denen jene über den Graafschen Follikel, über Eierstock- und Uterustuberkulose hervorzuheben sind sowie die in Zusammenarbeit mit Kermauner (s. d.) entstandene Monographie über Morphol. und Entwicklung des Uteruskarzinoms, eine erste umfassende Behandlung dieser Krankheit, die er durch eine große Stud. über Genitalgeschwülste noch erg. Ein Lehrbuch der patholog. Histol. des weibl. Genitales konnte er kriegsbedingt nicht mehr vollenden. S. war auch um die prakt. Erfordernisse des Inst.Betriebes bemüht und erwarb sich in Wien Verdienste um Einrichtung und Aufbau des Labors der II. Frauenklinik, wo er in Protokollen und Präparaten wertvolle Grundlagen für weitere Forschungen sowie den Unterricht schuf. Finanziell unabhängig, sammelte er sowohl in Heidelberg wie in Wien in seinem Haus einen Freundeskreis um sich. Er wurde mehrmals ausgez., u. a. mit dem Eisernen Kreuz II. Kl. S. galt als Autorität auf dem patholog.-gynäkolog. Sektor, wirkte richtungweisend auf dem Gebiet der Erforschung der Genitaltuberkulose und wies als einer der ersten auf die drüsigen Elemente der Myome hin.

W. (s. u. bei Wertheim): Ueber die drüsigen Elemente der Fibromyomen des Uterus, in: Z. für Geburtshülfe und Gynäkol. 27, 1893; Ueber den Graafschen Follikel …, in: Archiv für mikroskop. Anatomie 41, 1893 (Habil.-Schrift); Ueber Eierstockstuberkulose, 1897; Beitr. zur Lehre von den Dermoidcysten des Eierstocks, in: Archiv für Gynäkol. 78, 1906; Zur Kenntnis des Uteruskarzinoms, gem. mit F. Kermauner, 1912; Über die von den Genitalgeschwülsten des Weibes ausgehenden metastat. Geschwülste …, in: H. Nothnagel, Spezielle Pathol. und Therapie, Suppl. 7/2, 1913; Ueber histolog. Geschwulstdiagnostik …, in: Archiv für Gynäkol. 100, 1913; Über die Bestimmung der Schwangerschaftsdauer auf Grund histolog. Placentarbefunde …, in: Zentralbl. für Gynäkol. 37, 1913; Zur histolog. Wertung und Diagnose der Radiumveränderungen beim Uteruskarzinom, in: Strahlentherapie 5, 1915; usw.
L.: Biograph. Jb. 20, 1928, Sp. 671f. (Totenliste); Fischer; Jew. Enc.; Pagel; Wininger; E. Wertheim, in: Inauguration Wien 1917/18, 1917, S. 84ff. (mit Werksverzeichnis); ders., in: Ms. für Geburtshülfe und Gynäkol. 46, 1917, S. 268ff. (mit Werksverzeichnis); A. Martin, ebenda, 46, 1917, S. 271; F. Kermauner, in: Gynäkolog. Rundschau 11, 1917, S. 175ff.; K. Holzapfel, in: Zentralbl. für Gynäkol. 41, 1917, S. 713f.; G. A. Wagner, in: Wr. klin. Ws. 30, 1917, S. 828; Wr. Med. Ws. 67, 1917, Sp. 1079f.; Leopoldina 54, 1918, S. 52; H. Harms zum Spreckel, Stammliste des Marine-Sanitäts-Off.Korps von 1914–18, 2. Ausg. 1919, S. 249f.; E. Stübler, Geschichte der med. Fak. der Univ. Heidelberg 1386–1925, 1926, S. 321; D. Drüll, Heidelberger Gelehrtenlex. 1803–1932, 1986; AVA, UA, beide Wien; UA Heidelberg, Bundesarchiv–Militärarchiv, Freiburg i. Breisgau, beide Deutschland.
(F. Hillbrand-Grill)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 154f.
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