Schreibers, Karl Franz (Anton) von (1775-1852), Naturwissenschaftler

Schreibers Karl Franz (Anton) von, Naturwissenschaftler. Geb. Preßburg/Pozsony, Oberungarn (Bratislava, Slowakei), 16. 8. 1775; gest. Wien, 21. 5. 1852. Bruder des Vorigen, ab 1810 Schwiegersohn des J. F. Frh. v. Jacquin (s. d.). Kam neunjährig nach Wien, besuchte ab 1784 das Löwenburgsche Konvikt, stud. ab 1793 an der Univ. Med., war daneben 1793–95 Ass. des Begründers der Phrenol., Franz Joseph Gall, und wurde 1798 zum Dr. med. prom. Anschließend praktizierte er bei seinem Onkel, Joseph Ludwig v. S., und bereiste ab 1799 mehrere europ. Staaten, u. a. Großbritannien. 1801 Ass. an der Univ. Wien bei P. Jordan (s. d.), suppl. er 1802–07 dessen zoolog. Vorlesungen und führte daneben eine med. Praxis, bis er 1806 zum Dir. des Vereinigten Naturalien-, physikal. und astronom. Kabinetts des K., Vorläufers des Wr. Naturhist. Mus., ernannt wurde. 1816–22 suppl. er auch die Dion. des Münz- und Antikenkabinetts und trat 1851 i. R. Schon früh zeigte S. Interesse an Botanik sowie Mineral., aber auch für Zool., nahm in Großbritannien zu zahlreichen Gelehrten Kontakt auf und bearb. auf deren Anregung hin Geschichte sowie Anatomie der damals noch kaum bekannten krain. Grottenolme sowie austral. Käferarten. Als Supplent Jordans emanzipierte er sich vom amtl. approbierten Lehrstoff undverbreitete u. a. als erster in Österr., wahrscheinl. sogar im ganzen dt. Sprachraum, die Systeme Georges Baron de Cuviers sowie des ihm befreundeten Etienne Geoffroy de Saint Hilaire bezügl. Einteilung und Abstammung der Tiere. Mit seiner Aufgabe, die zoolog. Kollektion des Kaiserhauses neu zu ordnen, zwecks Rationalisierung einen Organisationsbzw. Arbeitsplan für alle Smlgg. zu erstellen sowie die Bestände zu vermehren, verband er als Ziel die Umwandlung der Smlgg. in Forschungsstätten, die zudem auch der akadem. Lehre dienen sollten. Noch 1806 wurde zwar das physikal.astronom. Kabinett als eigene Smlg. aus seinem Kompetenzbereich herausgenommen, 1807 erhielt er jedoch auch die Betreuung der damals begründeten botan. Smlg. übertragen. Vor bes. Probleme stellten ihn die Napoleon. Kriege, die Verlagerungen und jeweils durch ihn besorgte Neuaufstellungen sowie 1815 eine Reise nach Paris notwendig machten. Neben der Erweiterung der Smlgg. und dem Aufbau einer umfassenden Fachbibl. vollzog er 1816 auch die Übergabe der Objekte des Fabriksproduktenkabinetts an das Polytechn. Inst. Ferner unterwies er den späteren K. Ferdinand I., ab 1808 auch Erzhgn. Leopoldine (beide s. d.) in den naturwiss. Disziplinen, organisierte die 1817 ausgerüstete Brasilienexpedition, richtete das sog. Brasilian. Mus. ein, leitete dieses bis 1836 und nahm dann dessen Aufteilung auf die übrigen Smlgg. vor. Neben diesen vielfältigen, hauptsächl. organisator. Aufgaben setzte er eigene richtungweisende Aktivitäten. Veranlaßt durch einen Meteoritenfall 1808 begann er sich mit diesem Phänomen zu beschäftigen und konnte die Meinung von der kosm. Herkunft der Gesteine durchsetzen. Aus dem zoolog. Sektor sind seine Stud. über parasitäre Eingeweidewürmer hervorzuheben sowie seine Arbeit über brasilian. Vögel. Auch experimentell-physikal. tätig, stellte er erstmals im dt. Sprachgebiet Alkalimetalle durch Elektrolyse der Oxyde dar und entwickelte ein elektromagnet. Pendel sowie ein Hygrometermodell. Aufgrund übergroßer Genauigkeit publ. er nur einen kleinen Tl. seiner Arbeiten, die Manuskripte der übrigen, v. a. seine grundlegende Monographie über österr. Spinnen (1811), fielen 1848 einem Brand im Zuge der Kampfhandlungen zum Opfer, wie auch seine Privatsmlgg., sein Briefwechsel, Tle. der k. Smlg., u. a. die von ihm begründete Skelettsmlg. Schon 17jährig zum Mitgl. der Naturforschenden Ges. in Jena ernannt und 1808 gem. mit seinem kinderlosen Onkel Joseph Ludwig v. S. nob., fand er Aufnahme in fünf Akad. (München, Göttingen, Dublin, Bonn und Erfurt), wurde 1810 k. Rat, 1823 als erster der wiss. Beamten nö. Reg.Rat, 1835 Tit. HR. S. stand zu zahlreichen Persönlichkeiten, u. a. zu Goethe, in Kontakt. Haidinger (s. d.) benannte nach ihm die Phosphornickeleisenkörner in Eisenmeteoriten. S., ein außergewöhnl. Organisator, vollzog den Wandel der k. Smlgg. in wiss. Institutionen und trug damit zu deren Weltruf bei.

W. (s. u. bei Scholler und Pichler): A Historical and Anatomical Description of a doubtful amphibous Animal … Proteus Anguinus, in: Philosophical Transactions of the Royal Society of London … 1801, 1801, auch selbständig; Descriptions of some singular Coleopterous Insects, in: Transactions of the Linnean Society 6, 1802; Nachricht von einer beträchtl. Smlg. thier. Eingeweidewürmer …, 1811; Verzeichniß der Smlg. von Meteor-Massen …, 1819, auch in: E. F. F. Chladni, Ueber Feuer-Meteore …, 1819 (Anhang), Nachtrag, 1820; Collectanea ad ornithologiam Brasiliae (= Collectanea ad faunam Brasiliae 1), 1833; usw. Hrsg.: Versuch einer vollstaendigen Conchylienkenntniß …, 2 Bde., 1793; Nachrichten von den k. oesterr. Naturforschern in Brasilien …, 2 Tle., 1820–22; Annalen des Wr. Mus. der Naturgeschichte 1ff., 1836ff.; usw. – Teilnachlaß, Naturhist. Mus., Wien.
L.: ADB; Graeffer–Czikann; Lhotsky 2/2, s. Reg.; Poggendorff 2; Renner, Nachlässe; Szinnyei (s. S. Károly); Wurzbach; H. Scholler, in: Annalen des Naturhist. Mus. in Wien 59, 1953, S. 23ff. (mit Bild und Werksverzeichnis); Ideen aus Österr. (= Notring-Almanach 1955), o. J., S. 138f.; J. H. Barnhart, Biographical Notes upon Botanists 3, 1965; Dictionary of Scientific Biography 12, red. von Ch. C. Gillispie, (1975); G. Hamann, Das Naturhist. Mus. in Wien (= Veröff. aus dem Naturhist. Mus., NF 13), 1976, S. 23ff. (mit Bild); J. Tibensky u. a., Biobibliografia prírodných, lékarskych a technických vied na slovensku … 1, 1976; R. Rudolf u. a., Preßburger Land und Leute, 2. Aufl. 1985; Príkopnici vedy a techniky na Slovensku 2, 1988, S. 153; Slovenský biografický slovník 5, 1992; Die Neue Welt, hrsg. von F. Wawrik, Wien 1992, s. Reg. (Kat.); W. Pichler, K. F. (A.) Ritter v. S. …, phil. DA Wien, 1993 (mit Bildern und Werksverzeichnis); AVA, WStLA, Naturhist. Mus., alle Wien.
(Ch. Riedl-Dorn)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 199f.
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