Schreiner, Gustav (1847-1922), Politiker, Gutsbesitzer und Notar

Schreiner Gustav, Politiker, Gutsbesitzer und Notar. Geb. Nemelkau, Böhmen (Nemilkov, Tschechien), 11. 6. 1847; gest. Ober-Stankau (Hlavňovice-Horní Staňkov, Tschechien), 14. 6. 1922. Sohn eines Gutsbesitzers, Cousin des Z. v. Forster (s. d.). S. absolv. 1864 das Gymn. in Leitmeritz (Litoměřice), stud. 1866–70 Jus in Prag und Wien (1866–67); 1870 Dr. jur. an der Univ. Prag. Danach Gerichtsauskultant in Wien und Gloggnitz und Notariatskandidat in der Prager Kanzlei seines Onkels, des Reichsratsabg. Emanuel v. Forster. 1876 ließ sich S. als Notar in Neuern (Nýrsko) nieder, übernahm 1897 ein Notariat in Pilsen (Plzeň). Schon ab 1890 lebte er auf seinem Gut in Ober-Stankau, das er zu einer Musterwirtschaft für Wiesenkultur und Futterbau ausgestaltete. Daneben wirkte er verdienstvoll für die landwirtschaftl. Erschließung des Böhmerwaldes und für den landwirtschaftl. Unterricht. Insbes. widmete sich S. dem agrar. und nationalen Ver.Wesen der Dt. in Böhmen, etwa als Gründer eines Meliorationsverbandes für Dt.-Böhmen. Seit der Zweiteilung des böhm. Landeskulturrates 1891 gehörte er dem Ausschuß der dt. Sektion an, 1897 wurde er zu deren Vizepräs., 1899 zum Präs. gewählt (bis 1908). Den Landeskulturrat vertrat er in der Landeskomm. für Flußregulierungen in Böhmen sowie als Mitgl. des Landwirtschaftsrates beim Ackerbaumin. in Wien. Dieser organisator. Tätigkeit und seiner hervorragenden Rednergabe verdankte er 1895 die Wahl in den böhm. Landtag (bis 1913), wo er dem Verfassungstreuen Großgrundbesitz zugezählt wurde. 1900 und 1903 nahm S. an den von Ministerpräs. Koerber (s. d.) einberufenen dt.-tschech. Verständigungskonferenzen, die jedoch ergebnislos blieben, teil. Als Mitgl. des Abg.Hauses des Reichsrats (1901–18) gehörte er zunächst dem Klub der Dt. Fortschrittspartei an, schloß sich dann 1906 der Agrarpartei an, arbeitete aber in nationalen Fragen auch in der Folge eng mit seinen bisherigen Klubkollegen zusammen. 1908 zum Min. ohne Portefeuille ernannt, versah er die Aufgaben eines dt. Landsmannmin., wurde jedoch 1910 nach dem Ausscheiden des tschech. Landsmannmin. Johann Žáček zum Rücktritt veranlaßt. Im Ersten Weltkrieg war er 1917/18 Vizepräs. des Ernährungsrats beim Amt für Volksernährung. Nach dem Ende der Monarchie zog sich S. aus der Politik zurück, blieb allerdings im Rahmen des Landeskulturrates bis zuletzt aktiv.

L.: Bohemia, 10., 16., N. Fr. Pr., 16., Prager Tagbl., 16. 6. 1922; Czedik 4, s. Reg.; Freund, 1907 und 1911 (mit Bild); (M.) Navrátil, Nový český sněm (1901–07), 1902, S. 311; H. Lothring, in: Land- und forstwirtschaftl. Mitt. 24, 1922, n. 13, S. 119f. (mit Bild); J. Blau, in: Sudetendt. Lebensbilder, hrsg. von E. Gierach, 1, (1926), S. 309ff. (mit Bild); H. Brückner, Die dt. Abg. aus den böhm. Ländern im österr. Reichsrat der Vorkriegszeit (1907–14), phil. Diss. Saarbrücken, 1975, bes. S. 112, 121f., 132, 205; E. Rutkowski, Briefe und Dokumente zur Geschichte der österr.-ung. Monarchie … 1–2 (= Veröff. des Collegium Carolinum 51/1–2), 1983–91, s. Reg.; Sudetendeutschtum gestern und heute, hrsg. von H. Kuhn, 1986, S. 38, 41 (mit Bild); J. W. Boyer, Culture and Political Crisis in Vienna, (1995), s. Reg.; J. Kalwoda, Zur Institution des dt. „Landsmannministeriums“ in Altösterr. 1891–1910, phil. DA Wien, 1995, bes. S. 29ff., 33ff.; Parlamentsarchiv, Wien.
(He. Slapnicka)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 52, 1997), S. 207f.
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