Schüch (Schiech, Schuch), Rochus (1788-1844), Naturwissenschaftler, Bibliothekar und Fabrikant

Schüch (Schiech, Schuch) Rochus, Naturwissenschaftler, Bibliothekar und Fabrikant. Geb. Ranigsdorf, Mähren (Linhartice, Tschechien), 15. 8. 1788; gest. Brasilien, 4. 3. 1844. Sohn eines Schneiders, Vater des Wilhelm S. Baron v. Capanema (s. u.). Nach seinem Stud., vermutl. an der Univ. Prag, lehrte S. fünf Jahre hindurch Mathematik, Naturgeschichte sowie Naturlehre am Gymn. in Troppau (Opava) und kam 1813 als Kustos an das Tier- und Pflanzenkabinett der Vereinigten Naturalienkabinette nach Wien. Daneben hielt er gutbesuchte Vorlesungen sowie Praktika am Mineralienkabinett und führte Erzhgn. Leopoldine, die spätere Kn. von Brasilien (s. d.), in die Mineral. ein. In deren Gefolge kam er 1817 nach Rio de Janeiro und fungierte fortan als ständiger wiss. Berater Leopoldines sowie als Hofbibliothekar. Später unterrichtete er den nachmaligen K. Pedro II. in dt. Sprache. Er hatte ferner maßgebl. Anteil an Ausbau und wiss. Ordnung des auf Leopoldines Initiative hin nach dem Muster der Wr. Smlgg. 1818 gegründeten Naturgeschichtl. Mus. in Rio, aus dem das Brasilian. Nationalmus. hervorging, und beriet Leopoldine auch bezügl. eines Botan. Gartens sowie des von ihr, ähnl. dem Schönbrunner, gestalteten Tierparks. Angebl. finanzieller Schwierigkeiten wegen errichtete oder erwarb er in Itabira do Mato Dentro, Prov. Minas Gerais, eine Fabrik, in der er als erster in Brasilien Eisenblech herstellte. Er befaßte sich ferner mit metallurg. Problemen und entdeckte auch Gold- und Silberminen. Nach Leopoldines Tod weniger einflußreich, strebte er, allerdings erfolglos, eine Rückkehr nach Österr. an. 728 aus seiner Smlg. stammende brasilian. Pflanzen gelangten jedoch 1843 nach Wien und befinden sich derzeit in der Botan. Abt. des Naturhist. Mus. (manchmal fälschl. Wilhelm S. zugeschrieben). S.s Name lebt in der Bezeichnung für eine Art der nach Prinz Eugen benannten Gattung der Familie der Myrtengewächse – Eugenia schuechiana – weiter. Sein Sohn, Wilhelm (Guilherme) S. Baron von (de) Capanema (geb. Timbopeba, Brasilien, 17./27. 1. 1824; gest. Rio de Janeiro, Brasilien, 29. 7. 1908), ein Jugendfreund K. Pedros II., wurde nach Privatunterricht vorerst Genieoff., stud. 1842–45 am Polytechn. Inst. in Wien, nach Absolv. der propädeut. Zweige v. a. Wasser-, Landund Straßenbau sowie Bauökonomie usw., 1846–47 an der Bergakad. Freiberg, besuchte die sächs. Berg- und Hüttenwerke und soll auch in München Vorlesungen gehört haben. Nach Brasilien zurückgekehrt und zum Mjr. im Ing.Korps avanciert, erhielt er bald darauf eine Stelle an der mineralog.-geolog. und naturwiss. Abt. des Nationalmus. An der Militärzentralschule, dem späteren Polytechnikum, lehrte er Physik, Mathematik, Geol. sowie Mineral. und legte 1852 zwischen dem k. Palast und dem Militärhauptquartier die erste Telegraphenanlage Brasiliens. Auf Veranlassung des techn. interessierten K. wurde er 1855 zum Dir. des erst aufzubauenden brasilian. Telegraphenwesens ernannt, konnte ein Netz von 11.000 km legen und das Land durch ein Kabel mit Europa verbinden, trat 1889 nach Ausrufung der Republik zurück. Vor dem 1865 ausgebrochenen Krieg gegen Paraguay mit techn. Neuerungen beim Militär befaßt, gestaltete er u. a. eine Pulverfabrik zur modernsten Südamerikas aus, initiierte die Einführung von Hinterladergewehren in Brasilien – als erstem südamerikan. Staat – sowie der Feldtelegraphie und entwickelte ein Raketengeschoß. Daneben beschäftigte er sich mit chem. Problemen und stellte mit „Formicida Capanema“ ein brauchbares Mittel gegen den Hauptfeind der Landwirtschaft, die Schlepperameise, her. Unter Nutzung eines Wasserfalls gründete er zudem die erste Papierfabrik Brasiliens. Ab 1885 leitete er den Ausschuß für die Regelung der damals aufgetretenen Grenzstreitigkeiten mit Argentinien und trug damit maßgebl. zu dem 1894 zugunsten Brasiliens ergangenen Entscheid bei. S. erfuhr zahlreiche Anerkennungen, erhielt mehrere Orden, wurde u. a. in den Staatsrat berufen, Mitgl. der den Rang einer Akad. einnehmenden Hist.-geograph. Ges. sowie Hon.- Prof. der Akad. der Schönen Künste in Rio und 1881 zum Baron erhoben. Durch sein vielseitiges Wirken trug er wesentl. zum wiss. und wirtschaftl.-techn. Aufschwung Brasiliens bei.

W.: Memórias sobre algumas experiências e empenhos mineralógicos e mineralúrgicos, in: Auxiliador da Indústria Nacional, 1840, auch selbständig; usw. – Wilhelm S. Baron v. Capanema: Zig-Zag da Secçao geológica da commissão scientifica do Norte, 1861; Decomposicões dos penedos do Brasil, 1866; Apontamentos sobre a Seca do Ceara, 1878; As pretençoñes argentinas na questão de limites com o Brasil, gem. mit A. de Freitas, in: Jornal do Commercio, 1893, auch selbständig; usw.
L.: F. Kienzl, K. v. Brasilien, (1942), s. Reg. (auch für Wilhelm S. v. Capanema); O. Marchalek, Österr. Forscher, (1949), S. 42; J. Prantner, Kn. Leopoldine v. Brasilien, (1974), s. Reg. (auch für Wilhelm S. v. Capanema); G. Hamann, Die Geschichte der Wr. naturhist. Smlgg. … (= Veröff. aus dem Naturhist. Mus., NF 13), 1976, S. 30; K. H. Oberacker jun., Der dt. Beitr. zum Aufbau der brasilian. Nation, 2. dt. Aufl., 1978, s. Reg. (auch für Wilhelm S. v. Capanema); ders., Kn. Leopoldine, 1980, S. 105, 156, 189; Die Neue Welt. Österr. und die Erforschung Amerikas, Wien 1992, s. Reg. (Kat.); Ch. Riedl-Dorn, in: Als Österr. die Welt benannte …, red. von B. Linke-Fischer, Schloßhof 1996, S. 47, 50f. (Kat.); AVA, HHStA, Archiv des Naturhist. Mus., alle Wien; Mitt. Christa Riedl-Dorn, Wien. – Wilhelm S. Baron v. Capanema: I. Urban, in: Martii Flora Brasiliensis 1/1, 1840–1906, S. 103; Revista do Inst. histórico e geográphico Brazileiro 71/2, 1909, S. 604ff.; Galeria Nacional. Vultos Proeminentes da Historia Brasileira, 1931; A. Guinães, Diccionário Bio-Bibliographico Brasileiro, 1938; Diccionário Biográfico Universal Três, 1983; Archiv der Techn. Univ. Wien; Archiv der Techn. Univ. Bergakad. Freiberg, Deutschland; Mitt. Fundação Bibl. Nacional, Rio de Janeiro, Brasilien.
(F. Hillbrand-Grill)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 285f.
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