Schuh, Franz (1804-1865), Chirurg

Schuh Franz, Chirurg. Geb. Scheibbs (NÖ), 17. 10. 1804 (Taufdatum); gest. Wien, 22. 12. 1865. Sohn eines Türmers und Organisten, Schwiegervater Gilewskis (s. d.). Absolv. nach Besuch der Gymn. Admont und Seitenstetten 1822–24 im Stift Kremsmünster die phil. Jgg., stud. ab 1824 Med. an der Univ. Wien und wurde 1831 zum Dr. med., 1832 zum Dr. chir. prom. Anschließend arbeitete er an der Chirurg. Klinik, erhielt 1836 eine Berufung als Prof. der Chirurg. Vorbereitungswiss. an das Lyzeum Salzburg, kehrte aber schon im Folgejahr als Primarwundarzt am Allg. Krankenhaus nach Wien zurück, wurde 1841 ao. Prof., 1842 Leiter der prov. II. Klinik für Chirurgie, 1843 Leiter des neugegründeten Operateurinst. und 1849 Vorstand der damals systemisierten II. Chirurg. Klinik und o. Prof. S. arbeitete eng mit den Internisten Joseph Skoda und Rokitansky (s. d.) zusammen, übernahm die von diesen angewendete Methode der Perkussion und eröffnete der Chirurgie dadurch neue Möglichkeiten, so u. a. gezielte Punktionen. Nach solchen im Brustfellraum nahm er 1846 eine aufsehenerregende Herzbeutelpunktion vor. Die Klärung der physiolog. Grundlagen seines Faches suchte er im Tierexperiment und begründete damit im dt. Sprachraum die Experimentelle Chirurgie. Stets um Weiterbildung bemüht, unternahm er zahlreiche Stud.Reisen und lernte so u. a. in England die Äthernarkose, Voraussetzung für die Vornahme komplizierter operativer Eingriffe, kennen, die er nach Selbstversuch 1847 als erster im dt. Sprachraum anwandte. Auch gelang ihm eine wesentl. Herabsetzung des Blutverlustes bei Operationen mit Hilfe der Galvanokaustik. Zudem wandte er sich der Erforschung der Tumoren zu, begann sich dafür intensiv mit Mikroskopie sowie Chemie zu befassen, bestimmte dann die chem. Zusammensetzung der Operationspräparate sowie deren histolog. Struktur, konnte dadurch v. a. eine genauere Differenzierung der von ihm Pseudoplasmen genannten Krebstumoren treffen und entwickelte schließl. auch kühne Operationen für die Neurochirurgie. Für seine Eingriffe konstruierte der manuell und techn. begabte S. auch selbst entsprechende Instrumente und bildete zahlreiche später bekannt gewordene Schüler heran. Seine Erkenntnisse legte er in mehr als 60 Publ. nieder, von denen jene über Pseudoplasmen bes. hervorzuheben sind. Privat blieb er, der sich nach Musikunterricht durch den Vater während des Stud. den Lebensunterhalt als Geiger verdient hatte, zeitlebens diesem Kunstzweig verbunden. Staatlicherseits nur 1860 durch die Ernennung zum Reg.Rat geehrt, fand er hingegen Aufnahme, z. Tl. als Ehrenmitgl., in mehrere gel. Ges. des Auslandes und wurde 1848 Ehrenmitgl. der Univ. Prag. S., der die neuesten Errungenschaften der Internen Med. verwertete, vollzog den Wandel der Chirurgie von einem handwerksmäßig betriebenen Fach zu einer wiss. Disziplin.

W. (s. u. bei Möller): Ueber die Erkenntnis der Pseudoplasmen, 1851; Pathol. und Therapie der Pseudoplasmen, 1854; Ueber Gesichtsneuralgien …, 1858; Mitth. über Resection und andere Operationen an Nerven, in: Wr. Med. Ws. 13, 1863, auch selbständig; Abhh. aus dem Gebiete der Chirurgie und Operationslehre, hrsg. von K. Gilewski, 1867 (mit biograph. Einleitung); zahlreiche Abhh. in wiss. Z. – Teilnachlaß, Inst. für Geschichte der Med., Univ. Wien.
L.: Neues Österr., 17. 10. 1954; Kurier, 17. 6. 1987; ADB; Die Fackel, s. Reg.; Exner, Gewerbe und Erfindungen 2, S. 83f.; Hirsch; Lesky, s. Reg., bes. S. 195ff. (mit Bild); Pagel; Renner, Nachlässe; Wurzbach; (L.) Wittelshöfer, in: Wr. Med. Ws. 15, 1865, Sp. 1845f.; (J.) v. Dumreicher, ebenda, 16, 1866, Sp. 410ff.; Österr. Z. für prakt. Heilkde. 17, 1871, ao. Beilage; Th. Puschmann, Die Med. in Wien während der letzten 100 Jahre, 1884, S. 217f.; Pester med.-chirurg. Presse 25, 1889, S. 600ff.; Wr. klin. Ws. 12, 1889, S. 464ff.; (J.) v. Hochenegg, ebenda, 17, 1904, S. 1119ff.; L. Schönbauer, Das med. Wien, 2. Aufl. 1947, s. Reg., bes. S. 269ff. (mit Bild); H. Jelinek, Stadt Scheibbs, 1952, S. 124f.; W. R. Bett, in: The Medical Press, 1954, S. 386f.; H. Moser, in: Wr. klin. Ws. 66, 1954, S. 835f.; Bote aus Seitenstetten 36, 1957, S. 88ff. (mit Bild); W. Goldinger, in: Jb. für Landeskde. von NÖ, NF 36, 1964, S. 516; H. Moser, in: Krebsarzt 21, 1966, S. 199ff.; ders., in: Österr. Ärzteztg. 21, 1966, S. 305f.; A. E. Maier, Die niederärztl. Ausbildung zu Salzburg im 19. Jh., (1972), S. 73ff.; H. Möller, Personalbibliographien von Prof. und Doz. der Chirurgie der Univ. Wien … 1790–1878, (1972), S. 167ff.; H. Wyklicky, in: Mitt. der Ärztekammer für NÖ, 1974, H. 1/2; W. Fasching, in: Wr. klin. Ws. 91, 1979, S. 68ff. (mit Bild); R. Stiebitz, in: Kunst des Heilens (= Kat. des Nö. Landesmus., NF 276), Wien 1991, S. 641ff.; A. Kreuter, Deutschsprachige Neurologen und Psychiater 3, 1996; F. Czeike, Hist. Lex. Wien 5, (1997); AVA, WStLA, beide Wien; Sbg. LA, Salzburg, Sbg.
(H. Moser)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 53, 1998), S. 309f.
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