Schupfer, Francesco (Franz) (1833-1925), Rechtshistoriker

Schupfer Francesco (Franz), Rechtshistoriker. Geb. Chioggia, Venetien (Italien), 5. 1. 1833; gest. Roma (Italien), 8. 9. 1925. Sohn des Richters am Wr. Kassationsgerichtshof Franz S., Vater des Ferruccio S. (s. u.). Nach Absolv. des Gymn. in Verona stud. S. ab 1850 ein Semester an der Univ. Innsbruck Jus, danach an der Univ. Wien, ab 1852 in Heidelberg (bei Karl Adolph v. Vangerow, Heinrich Zöpfl und Karl Joseph Mittermaier), 1853–54 in Wien (bei Phillips, s. d., und Lorenz v. Stein); 1858 Dr. jur. an der Univ. Wien. Ab 1858 bildete sich S. an der Univ. Göttingen an der Schule von Georg Waitz bes. im Röm. Recht und in der Rechtsgeschichte weiter. S. wurde 1860 Univ.Doz. für Rechtsgeschichte an der Univ. Padua, 1864 ao. Prof. an der Univ. Innsbruck, wo er auch Verwaltungsrecht lehrte und vertrauten Umgang mit J. v. Ficker (s. d.) hatte. Nach dem Ausbruch des Krieges von 1866 kehrte er als ao. Prof. für Röm. Recht an die Univ. Padua zurück. Hier lehrte er ab 1868 als o. Prof., bis er 1878 auf den Lehrstuhl für Italien. Rechtsgeschichte der Univ. Rom berufen wurde, den er bis zu seiner Emer. 1920 innehatte; 1909/10 und 1914/15 Dekan. Als akadem. Lehrer war S. hoch angesehen und bei den Studenten sehr beliebt. In seinen zahlreichen Veröff. beschäftigte er sich fast ausschließl. mit der italien. Rechtsgeschichte, insbes. mit dem Privatrecht, für das er als einer der hervorragendsten Gelehrten anerkannt wird. In seinem Bestreben, den Rechtsstud. eine neue Richtung zu geben, wandte er sich zunächst gegen die u. a. von A. Pertile (s. d.) befolgte, exzessiv germanist. Richtung, danach bekämpfte er die neuentstandene extrem romanist. Richtung. Schon in seinen ersten Arbeiten behandelte S. die Zeit der Barbareneinfälle in Italien, ein Thema, dem er lebenslang treu bleiben sollte: „Degli ordini sociali … appo i Longobardi“, 1861, und die „Istituzioni politiche longobarde“, 1863, sind sofort zu grundlegenden Werken ihres Faches geworden. 1868 erschien seine Arbeit über das Röm. Recht, „Trattato delle obbligazioni …“. S. dehnte seine Stud. auch auf die Zeit der Renaissance aus, insbes. auf die Gmd.Ordnungen, die Lokalgewohnheiten und die Statuten der italien. Städte. Zahlreiche Spezialarbeiten widmete er u. a. der Quellengeschichte, wie z. B. die Abhh. über die Lex romana Utinensis (1881–89), in denen er glaubt, den italien. Charakter der wichtigsten Quellen des mittelalterl.-röm. Rechts beweisen zu können. 1892 erschien sein für den Lehrgebrauch bestimmtes Werk „Manuale di storia del diritto italiano“, in dem er seine Fähigkeit der hist. Zusammenfassung und der method. Quellenbehandlung zeigte. S. war einer der ersten, die die Notwendigkeit sahen, die Ursprünge des modernen italien. Rechts im von italien. Rechtsschulen erarbeiteten gemeinen Recht zu erforschen. Infolge des großen Anklanges, den sein auch von Ficker gelobter Ansatz fand, veröff. er 1907–09 eines seiner bedeutendsten Werke, „Il diritto privato dei popoli germanici con speciale riguardo all’Italia“. Dieses Werk gehörte zu seinem großen Plan, die gesamte italien. Privatrechtsgeschichte darzustellen, ein Vorhaben, von dem er jedoch nur einen Tl. verwirklichen konnte. Gem. mit Guido Fusinato gründete S. 1883 die „Rivista critica delle scienze giuridiche e sociali“ und 1886 die „Rivista italiana per le scienze giuridiche“. 1898 Senator, nahm er jedoch nie aktiv am polit. Leben teil. Sein Sohn Ferruccio S. (geb. Padua/Padova, Italien, 11. 12. 1867) war ab 1918 Prof. der klin. Med. an der Univ. Florenz.

W.: Degli ordini sociali e del possesso fondiario appo i Longobardi (= Sbb. Wien, phil.-hist. Kl. 35), 1861; Istituzioni politiche longobarde, 1863; Trattato delle obbligazioni secondo i principii del diritto romano, 1868; Degli ordinamenti economici in Austria sotto Maria Teresa, 1868; La società milanese all’epoca del risorgimento del comune, 1869; La legge romana udinese, 1881; Nuovi studi sulla legge romana udinese, 1882; Della legge romana udinese. Nuove ricerche critiche, 1887; Il testamento di Tello e la legge romana udinese, 1889; Manuale di storia del diritto italiano. Le fonti, 1892, 4. Aufl. 1908; Il diritto privato dei popoli germanici con speciale riguardo all’Italia, 4 Bde., 1907–09, 2. Aufl., 3 Bde., 1913–15; Il diritto delle obbligazioni in Italia nell’età del Risorgimento, 3 Bde., 1921; usw.
L.: Enc. It.; ZRG. Germanist. Abt. 47, 1927, S. 896f.; C. Calisse, in: Studi giuridici dedicati e offerti a F. S. nella ricorrenza del XXXV anno del suo insegnamento, 1898, S. Vff.; F. Brandileone, in: Rivista italiana per le scienze giuridiche, Ser. 1, 1926, S. 3ff.; G. Ferrari, in: Archivio giuridico, Ser. 4/11, 1926, S. 3ff.; F. Patetta, Storia del diritto Italiano. Introduzione, hrsg. von L. Bulferetti, (1946), S. 188ff.; UA Wien; Mitt. Andrea Sommerlechner, Roma, Italien.
(G. Alimena)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 11 (Lfg. 54, 1999), S. 371f.
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