Sedlnitzky von Choltitz, Josef Gf. (1778-1855), Beamter

Sedlnitzky von Choltitz Josef Gf., Beamter. Geb. Tropplowitz, Schlesien (Linhartovy-Opavice, Tschechien), 8. 1. 1778; gest. Baden (NÖ), 21. 6. 1855. Aus einer altschles. Familie, Sohn von Josef Gf. S. und Josefine, geb. Gfn. Haugwitz, Bruder von Anton (geb. Tropplowitz, 24. 12. 1776; gest. Troppau, Schlesien / Opava, Tschechien, 9. 3. 1850) und Leopold S. (s. d.), seit 1807 verehel. mit Maria Anna Gfn. Haugwitz. Nach Erziehung und Unterricht im Elternhaus begann S. 1793 gem. mit seinem Bruder Anton, dem späteren Appellationsgerichtspräs. in Brünn (Brno), das Rechtsstud. in Wien und trat ohne Stud.Abschluß 1797 als unbesoldeter Praktikant beim Kreisamt in Krems in den Staatsdienst. 1798 zur galiz. Hofkanzlei übersetzt, erhielt er – nach seiner Ernennung zum Kämmerer – 1801 in Krakau (Kraków) eine Stelle als Gubernialsekr. und war dort für Polizeiangelegenheiten zuständig. Als Galizien 1803 einem gem. Gubernium in Lemberg (L’viv) unterstellt wurde, übersiedelte S. samt seinen Agenden dorthin, kam jedoch durch einen Diensttausch bereits 1805 nach Brünn, wo er dem Landeskommissariat zugeteilt wurde. 1806 wurde S. Kreishptm. von Prerau (Přerov) mit Amtssitz in Mähr. Weißkirchen (Hranice) und 1813 – obwohl dort seine Güter lagen – Kreishptm.von Troppau. Nach den Franzosenkriegen 1815 war S. vom K. zwar als galiz. Vizepräs. vorgesehen, erhielt jedoch nach Interventionen k. Berater schließl. die Stelle des Vizepräs. der Obersten Polizei- und Zensurhofstelle, um deren gesundheitl. angeschlagenen Präs. Hager (s. Hager v. Allent[Alten]steig) zu entlasten. 1816 Geh. Rat, folgte er 1817, nach Hagers Tod, diesem als Polizeipräs. nach. S. war Symbol und Erfüllungsgehilfe des sog. „Systems Metternich“ zur Unterdrückung und Zensurierung jeder oppositionellen Regung bes. des liberalen Bildungsbürgertums und von dessen Presse, wobei S. den Ausbau der polit. Polizei samt Spitzelsystem auf Kosten des Sicherheitspolizeisystems forcierte. Die von ihm exekutierten Zensurmaßnahmen gingen oft bis an die Grenze des Lächerlichen. S. galt als genauer, jedoch langsamer Arbeiter, der stets einen starken Rückstau unerledigter Akten produzierte. Sein bes. Gegenspieler in Regierungskreisen war Kolowrat (s. Kolowrat-Liebsteinsky F. A. Gf.), mit dem S., offenbar auch stellv. für Metternich (s. Metternich-Winneburg Klemens Wenzel Lothar Fürst), in dauerndem Konflikt stand. 1836 wurde seine Position zwar bei der Schaffung der Staatskonferenz geschmälert, S. blieb aber v. a. durch die Kontrolle des Zensurwesens weiterhin einflußreich. Kurz nach Ausbruch der Revolution trat S. Mitte März 1848 von seinem Amt zurück und begab sich nach Troppau, wo er sich in den nächsten Jahren als Mäzen auf sozialem und kulturellem Gebiet verdient machte. Die letzten Lebensjahre verbrachte er ab 1852 in Wien, dessen Ehrenbürger er war. 1821 erhielt S. das Großkreuz des Leopold-Ordens.

L.: ADB; Czeike; N. Österr. Biogr. 15, S. 15ff. (mit Bild); Wurzbach; I. Beidtel, Geschichte der österr. Staatsverwaltung 1740–1848, hrsg. von A. Huber, 2, 1898, S. 220ff.; H. Srbik, Metternich 1–3, 1925–54, s. Reg.; V. Bibl, Die Wr. Polizei, 1927, s. Reg. (mit Bild); J. Marx, in: Jb. für Landeskde. von NÖ 27, 1938, S. 189ff.; H. Oberhummer, Die Angehörigen der Wr. Polizeidion. (1754–1900), 1939, S. 4; J. Marx, in: Jb. für Landeskde. von NÖ 32, 1955/56, S. 181ff.; ders., Die österr. Zensur im Vormärz, 1959, bes. S. 36ff.; D. E. Emerson, Metternich and the Political Police, 1968, s. Reg.; S. König, J. Gf. S. v. Ch., phil. DA Wien, 1991; H. Jäger-Sunstenau, Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien (= Forschungen und Beitrr. zur Wr. Stadtgeschichte 23), 1992, s. Reg. (mit Bild); Biografický Slovník Slezska a Severní Moravy 3, 1995; Oesterreich Lex. 2, hrsg. von R. Bamberger u. a., 1995.
(J. Marx – Ch. Mentschl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 93f.
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