Seeber, Joseph (1856-1919), Schriftsteller und Geistlicher

Seeber Joseph, Geistlicher und Schriftsteller. Geb. Bruneck, Tirol (Brunico/Bruneck, Italien), 4. 3. 1856; gest. Enns (OÖ), 19. 4. 1919. Sohn eines Taglöhners. Nach der Matura in Brixen (Bressanone/Brixen), 1874, absolv. S. ein Theol.Stud. am Brixener Diözesanseminar (1878 Priesterweihe) und war kurze Zeit in der Seelsorge tätig. Bereits im Sommersemester 1875 an der phil. Fak. der Univ. Innsbruck inskribiert, hörte er 1879–81 v. a. germanist. und klass.-philolog. Vorlesungen und legte 1881 die Lehramtsprüfung für Gymn. für Dt. ab. 1881–87 war S. Lehrer am bischöfl. Gymn. Vinzentinum in Brixen, danach wirkte er im Militärdienst als Religionslehrer und Militärseelsorger in Mähr.-Weißkirchen (Hranice), Wr. Neustadt, Wien und Mödling, dazwischen fünf Jahre als Militärkaplan in Salzburg. Im Alter erblindet, 1916 i. R. S. trat mit mehreren literaturwiss. Veröff. hervor, u. a. war er Bearb. der 6. Aufl. der repräsentativen kath. „Geschichte der deutschen Literatur“ von Wilhelm Lindemann (1889). In „Gedanken über die‚ moderne‘ Literaturströmung“, 1901 (im Rahmen der „Frankfurter zeitgemäßen Broschüren“), plädiert S. im Sinne Carl Muths vorsichtig für eine Öffnung der kath. Literatur zur Moderne. S.s Dramen, Versepen in der Nachfolge Hamerlings (s. Hammerling) und themat. wie formal konventionelle Ged. vollziehen diese Öffnung nicht; seine sprachl. Mittel waren bereits zu seinen Lebzeiten überholt. Als sein Hauptwerk gilt das mehrfach in hoher Auflage erschienene Blankversepos „Der ewige Jude“ (1894), indem der Ahasver-Stoff in einen weiten theol. Zusammenhang gestellt wird. S. hat ausschließl. in kirchennahen oder regionalen Verlagen veröff., war aber als kath. Autor über Österr. hinaus bekannt. Für seine Alttiroler konservativ-klerikale Position bezeichnend ist die Herausgeberschaft des Almanachs „Festgruß zur Säcularfeier des Bundes Tirols mit dem göttlichen Herzen Jesu“ (1896). Bis heute wird S.s von I. Mitterer (s. d.) vertontes, im Tiroler Selbstverständnis nicht unwichtiges, allerdings in jüngster Zeit wegen seines militanten Charakters nicht unumstrittenes Herz Jesu-Bundeslied gesungen.

W.: St. Elisabeth von Thüringen, 1883, völlig umgearb. Neuaufl. 1910 (ep. Ged.); Ein fliegend Bl., 1885 (Lyrik); Judas, 1887 (Tragödie); Spinges. Szenen aus dem Befreiungskampfe Tirols 1796/7, 1896; Die Wodan-Religion (= Vorträge und Abhh. der Leo-Ges. 18), 1902; Zur dt. Mythol. (= Frankfurter zeitgemäße Broschüren 25/5), 1906; Christus, o. J. (ep. Ged.); Beitrr. u. a. in Z. für dt. Philol.; usw.
L.: Lueg ins Land, 1914, Nr. 26f.; RP, 29. 4., Tiroler Anzeiger, 10. 5. 1919; Dolomiten, 11. 1. 1961; Tiroler Tagesztg., 10. und 14. 6. 1999 (zum Streit um das Herz Jesu-Bundeslied); Brümmer; Kosch, 3. Aufl.; Nagl–Zeidler–Castle 3–4, s. Reg. (mit Bild); J. Gassner, S.’s Ewiger Jude (= Frankfurter zeitgemäße Broschüren 17/9), 1896; Tiroler Ehrenkranz, hrsg. von A. Lanner, 1925, S. 92f. (mit Bild); M. Enzinger, Die dt. Tiroler Literatur bis 1900, 1929, s. Reg.; H. Schaffer, J. S., phil. Diss. Wien, 1930; O. Guem, J. S. (= Schlern-Schriften 251), 1967 (mit Bildern und Zitaten aus Briefen); P. Rainer, in: Der Schlern 47, 1973, S. 237f.; E. Oberkofler, Begegnungen, 1991, S. 37ff.; A. A. Baleanu, in: Antisemitismus. Vorurteile und Mythen, hrsg. von J. H. Schoeps und J. Schlor, 1995, S. 100; UA Innsbruck, Tirol; Mitt. Hermann Kuprian (†), Innsbruck, Tirol.
(S. P. Scheichl)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 55, 2001), S. 96
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