Seidl, Walter (1905-1937), Schriftsteller und Journalist

Seidl Walter, Schriftsteller und Journalist. Geb. Troppau, Schlesien (Opava, Tschechien), 17. 4. 1905; gest. Neapel (Napoli, Italien), 29. 8. 1937. Sohn von Ferdinand, Bruder von Kurt S. (beide s. d.). S. besuchte für einige Zeit die Militärrealschule in Bruck an der Leitha, dann das Realgymn. in Dux (Duchcov) und die Handelsakad. in Pilsen (Plzeň), um danach Musikwiss. und Literaturgeschichte an der Univ. Grenoble zu stud. 1930 kehrte er in seine Heimat zurück und lebte als freischaffender Schriftsteller und Journalist in Prag. Gem. mit seinem Bruder bewegte er sich sowohl im dt. als auch im tschech. Milieu und knüpfte freundschaftl. Beziehungen insbes. zu der tschech. Musikergruppe Mánes. Um 1932 begann S.s Zusammenarbeit mit dem „Prager Tagblatt“, in dem er regelmäßig Aufsätze über Musik, Rezensionen über Opernauff. etc. publ. Vornehml. Max Brod und O. Pick (s. d.) gehörten zu seinen Förderern. Selbst ein ausgezeichneter Geiger, verfolgte S. intensiv das Geschehen in der Internationalen Ges. für Neue Musik und war sehr bewandert in der tschech. Musik, insbes. auch bezügl. neuer kompositor. Richtungen. Als Mitgl. des Schutzverbands dt. Schriftsteller in der Tschechoslowakei vertrat er diesen in der Jury für die tschechoslowak. Staatspreise 1933. Als Schriftsteller trat S. mit Dramen, etwa „Welt vor der Nacht“, 1930, umgearbeitet als „Spiel um die Welt“ (1935 in Brno uraufgef.), für das sein Bruder eine Bühnenmusik schrieb, und mit von der Kritik sehr positiv aufgenommenen Romanen hervor, die vielfach die dt.-französ. Verständigung, aber auch musikal. Fragen zum Thema haben. So versucht S. in seinem iron. gestimmten Roman „Anasthase und das Untier Richard Wagner“, 1930 (im selben Jahr auch ins Tschech. übers.), die widersprüchl. Einstellung seiner Generation zum gesellschaftl. und künstler. Phänomen Wagner aufzufangen. Sein letzter Roman, „Der Berg der Liebenden“, 1936, – im Gegensatz zur früheren Prosa ohne satir. Übersteigerung –trägt stark autobiograph. Züge und wird u. a. als „Befreiung aus der bedrückenden Ordnungswelt des Vaters“ (Serke), aber auch als Vorwegnahme der späteren dt.- französ. Beziehungen und Darstellung des Verhältnisses zwischen Dt. und Tschechen gesehen. Als Journalist machte S. im Frühling 1937 mit der im „Prager Tagblatt“veröff. Ser. „Tagebuch einer Deutschlandreise“ auf sich aufmerksam, in der er versuchte, die aktuelle Situation der Kunst in Dtld. vier Jahre nach Hitlers (s. d.) Machtübernahme zu vermitteln. S. starb auf einer Schiffsreise in Italien an den Folgen einer Typhuserkrankung.

W.: Romeo im Fegefeuer, (1932); Erlebnis im Hause K. Hamsuns, 1933; Spiel um die Welt, in: Die Kritik, 1933/34, Nr. 5 (Textfragmente); Beitrr. in Z. und Ztg.; etc.
L.: Prager Tagbl., 31. 8. 1937 (mit Bild); DBE; Killy; Kosch; Otto, Erg.bd.; Zeit im Bild 9, 1932/33, Nr. 10, S. 19 (autobiograph., mit Illustrationen); Auftakt 17, 1937, S. 126; M. Brod, Der Prager Kreis, 1966, s. Reg.; V. Holzknecht, Hudební skupina Mánesa, 1968, S. 42ff.; J. Serke, Böhm. Dörfer, (1987), s. Reg. (mit Illustration); Z. Mareček, in: Brünner Beitrr. zur Germanistik und Nordistik 7 (= Sborník prací Filosofické Fak. Brnĕnské Univ. 39/K/12), 1991, S. 105ff.; ders., in: Germanistentreffen BRD/ČSFR, Passau, 1992 ... (= DAAD-Dokumentationen & -Materialien 25), 1992, S. 75ff.; ders., in: Brücken. Germanist. Jb., NF, 1992, S. 93ff.; J. Ludvová, in: Hudební věda 32, 1995, S. 120ff.; Archiv Akad. věd České Republiky, Praha, Tschechien; Mitt. Josef Walter König, Donauwörth, Dtld.
(E. Lebensaft – J. Ludvová)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 127f.
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