Siedlecki, Michał Marian (1873-1940), Zoologe und Schriftsteller

Siedlecki Michał Marian, Zoologe und Schriftsteller. Geb. Krakau, Galizien (Kraków, Polen), 8. 9. 1873; gest. KZ Sachsenhausen, Dt. Reich (Dtld.), 11. 1. 1940. Sohn eines Apothekers. Nach Absolv. des Gymn. 1891 stud. S. an der phil. Fak. der Univ. Krakau, wobei er sich anfangs für Chemie interessierte, sich aber später in Zool. spezialisierte. 1893/94 Demonstrator, 1894/95 Ass., setzte S. nach seiner Prom. zum Dr. phil. 1896 seine Stud. im Ausland fort: 1896/97 am Zoolog. Inst. in Berlin, wo er viel zur Erklärung der Pathogenese der Malaria beitrug; 1897/98 an der Sorbonne und am Collège de France. Seine Forschungsreise beendete er mit einem Aufenthalt in der zoolog. Forschungsstation in Neapel, wo er die Meeresfauna bei der Insel Capri erforschte und sein Interesse für Ozeanographie entdeckte. 1899 nach Krakau zurückgekehrt, wurde er Ass. am Inst. für vergleichende Anatomie der Univ. Krakau. 1900 habil., hielt S. bis 1912 Vorträge über Nutztiere für Landwirtschaftsstudenten sowie über allg. Biol. an der med. Fak. der Univ. Krakau. 1904 ao. Prof. für vergleichende Anatomie, befaßte er sich mit protozoolog. Untersuchungen auf der zoolog. Forschungsstation in Wimereux am Ärmelkanal. 1906 reiste er nach Ägypten und Nubien, wo er sich für die trop. Flora und Fauna interessierte, 1907/08 mit einer Förderung des Min. für Kultus und Unterricht über Triest, Suez, Bombay, Ceylon und Singapur nach Java, wo er v. a. in botan. Gärten u. a. über den Flugfrosch forschte. Weiters besuchte er Sumatra und die Koralleninseln im Ind. Ozean. Nach seiner Rückkehr befaßte er sich mit der Tropenfauna. 1912 o. Prof. für Zool. an der Univ. Krakau. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs wirkte S., der sich bis dahin nie polit. engagiert hatte, 1914–16 im zentralen Staatskomitee und in der Sanitätssektion des kirchl. organisierten Hilfskomitees (Spitalsbau, Organisation von Sanitätskolonnen, Massenimpfungen). Im Rahmen seiner Tätigkeit für dieses Komitee reiste S. 1918 nach Paris und publ. 1919 seine Beobachtungen während der Friedenskonferenz. 1919–21 reorganisierte er die Univ. in Wilna, wurde dort Rektor und übernahm den Lehrstuhl für Zool. Trotz Personalmangels und anderer kriegsbedingter Mängel errichtete er nach dem Krieg zahlreiche Fak. und Inst., u. a. ein zoolog. Inst. 1921 wieder an die Univ. Krakau zurückgekehrt, übernahm er auch dort den Lehrstuhl für Zool. 1925/26 Dekan der phil. Abt., 1929/30 Prorektor, 1935–39 Leiter des Inst. für Psychogenetik. S. befaßte sich mit wirtschaftl. Aspekten der Meeresbiol. und der poln. Meeresfischerei und trat für die Schaffung von wiss. Inst. zu deren Untersuchung ein. Er beschrieb erstmals in der poln. Literatur die biolog. und wirtschaftl. Bedeutung der im Balt. Meer meistgefangenen Fische. S. war Mitinitiator und später Mitarbeiter des 1923 eröffneten Meereslaboratoriums (ab 1931 Forschungsstation) auf der Halbinsel Hela (Hel)/Golf von Danzig und Vors. des 1928 gegründeten Inst. für Meeresfischerei. Ab 1923 war er ständiger Delegierter Polens im Internationalen Rat für Meeresforschung in Kopenhagen und arbeitete dort führend in mehreren Komm. Als Mitgl. des Nationalen Rates für Umweltschutz 1923– 38 nahm er an der Schaffung von Reservaten und Nationalparks teil und widmete sich v. a. dem Schutz bedrohter Fischarten. Er er wirkte ein Abkommen mit der Freistadt Danzig, welches dem Staat Polen tw. die Kosten des Besatzes von Lachsbrut abgalt. 1931 entstand auf sein Betreiben hin eine Forschungsstation zur Untersuchung der Wanderbewegung von Vögeln beim Staatl. Zoolog. Mus. in Warschau. Als 1924 das Internationale Büro für Umweltschutz in Brüssel gegründet wurde, war S. als Vertreter Polens in dessen Gen.rat und setzte sich für den Schutz der Wale, Auerochsen sowie seltener Vogelarten ein. 1930–37 bereitete er als Vors. der poln. Sektion und Mitgl. des Internationalen Komitees für Vogelschutz ein neues internationales Vogelschutz-Abkommen vor, das wegen des Kriegsausbruches aber erst 1947 angenommen wurde. S., Mitbegründer der modernen Wiss. von den Sporozoen, war auch schriftsteller. tätig. Seit seiner Jugend war er mit poln. Literaten und Dichtern befreundet, u. a. mit Asnyk (s. d.), W. Reymont, K. Tetmajer, v. a. aber mit Przybyszewski (s. d.), den er auch mit Zeichnungen für das zoolog. Inst. der Univ. Krakau beauftragte. Größte Popularität erlangten seine Reiseaufzeichnungen aus Indonesien. Seine Reisen lieferten ihm auch die Grundlage zu einem Bd. exot. Märchen sowie einem Roman, dessen Handlung eine detaillierte Beschreibung des Lebens unter Wasser ermöglichte und als erste populär-wiss. Analyse der Meeresforschung in der poln. Literatur gilt. Nach dem Einmarsch der Dt. in Krakau wurde S. 1939 während der „Sonderaktion Krakau“ gem. mit anderen Prof. inhaftiert und später in das KZ Sachsenhausen gebracht, wo er an Lungenentzündung starb. Für seine Verdienste vielfach ausgez., u. a. Dr. h. c. der Univ. Straßburg 1919 und Wilna 1929, war S. Mitgl. zahlreicher nationaler und internationaler wiss. Ges.

W.: Zur Kenntnis des javan. Flugfrosches, in: Biolog. Zentralbl. 29, 1909; Jawa. Przyroda i sztuka. Uwagi z podróży, 1913; Cztery miesiące walki z zarazą, 1916; Z Ziemi Lubelskiej. Jesień 1915, 1916; Paryż, 1919; Wraźenia i wspomnienia, 1919; Opowieści malajskie, 1927; Ryby morskie częściej poławiane na Bałtyku i północnym Atlantyku, 1938; Na drodze życia i mýsli (= Memorabilia Zoologica 15), 1966; etc.
L.: PSB (mit L.); Z. Fedorowicz, M. S. (1873–1940) (= Memorabilia Zoologica 17), 1966; „Sonderaktion Krakau“, ed. J. August, 1997, S. 315; H. Pierzchała, Den Fängen des SS-Staates entrissen. Die „Sonderaktion Krakau“ 1939–41, 1998, s. Reg.
(P. Benesz)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 12 (Lfg. 56, 2002), S. 232f.
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