Spiro, Ignaz (1817–1894), Großindustrieller

Spiro Ignaz, Großindustrieller. Geb. Kalenitz, Böhmen (Kalinece, Tschechien), 21. 7. 1817; gest. Krumau, Böhmen (Český Krumlov, Tschechien), 24. 10. 1894; mos. Schwiegervater von Otto Schwarz (s. d.). S. wuchs in ärml. Verhältnissen auf. Schon als Jugendl. handelten er und sein Bruder Jacob S. mit Hadern, wodurch die beiden mit der Papiererzeugung in Verbindung kamen. Gem. erwarben sie 1843 die Papiermühle in Rothřečitz (Červená Řečice) und erweiterten diese zu einer kleinen Fabrik. 1859 trennten sie sich jedoch: Während Jacob die Mühle in Rothřečitz weiterführte, kaufte S. eine Papiermühle in Krumau und baute sie zu einer Papierfabrik um. Da mit der Zeit nicht genügend Hadern zur Verfügung standen, verwendete er Sägemehl als Rohstoff und kaufte 1870 die Pötschmühle in Wettern (Větřní), um dort eine Holzschleiferei einzurichten. 1880 wurde auch die Papierproduktion von Krumau nach Wettern verlagert. Die Wirtschaftskrise von 1873 hatte auf das Unternehmen, das nicht nur zahlreiche Niederlagen unterhielt, sondern auch weltweit exportierte und dessen Erzeugnisse auf zahlreichen Ausst. ausgez. wurden, wenig Einfluß. In richtiger Einschätzung des durch das expandierende Pressewesen gestiegenen Papierbedarfs konzentrierte S. die Produktion v. a. auf Ztg.-, aber auch auf Packpapier. Als die Holzschleiferei den Rohstoffbedarf nicht mehr decken konnte, wurde auf dem Gelände der Pötschmühle 1883 eine größere Zellulosefabrik zur Herstellung von Sulfitzellstoff errichtet; 1891 und 1893 wurden weitere Papiermaschinen aufgestellt. 1873 bzw. 1876 betraute S. seine Söhne Ludwig (gest. 1926) und. Emanuel S. (gest. 1928) mit der kaufmänn. bzw. techn. Leitung des Unternehmen; beide wurden 1877 Ges. der nunmehrigen Fa. Ignaz S. & Söhne. Ein weiterer Sohn, Julius S. (1864–1937), der in Dtld. und den USA in der Papierind. tätig gewesen war, trat erst 1898 in den Betrieb ein, in dem Ludwig Spiros Schwiegersohn, Otto Schwarz, i. d. F. öff. Ges. wurde. S. engagierte sich auch im sozialen Bereich: 1884 gründete er eine Arbeiteraltersversorgungskasse, 1893 eine Stiftungskasse für sonstige Unterstützungen der Arbeiter; es gab mehrere Arbeiterhäuser und ein Arbeiterspital. Daneben förderte S. die jüd. Gmd. in Krumau, war auch in der Krumauer Gmd.- und Bez.vertretung tätig. 1938 wurde die Fa. von den Dt. als jüd. Vermögen „arisiert“ und 1941 mit der Papierfabrik Steyrermühl in OÖ fusioniert, 1945 wiederum wurde die Familie Spiro als „Deutsche“ von den Tschechen entschädigungslos enteignet, 1946 das Unternehmen in einen „volkseigenen“ Betrieb umgewandelt.

L.: NFP, 5. 12. 1937 (zu Julius S.); Großind. Österr. I/5, S. 47f.; Centralbl. für die oesterr.-ung. Papierind. 11, 1893, S. 698ff., 12, 1894, S. 741f.; Die Juden und Judengmd. Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, ed. H. Gold, 1, 1934, S. 18, 50 (m. B. v. Ignaz, Ludwig und Emanuel S.); Köpfe der Politik … Tschechoslowak. Republik, 1936 (zu Julius S., m. B.); G. Otruba – K. M. Brousek, in: Bohemia 23, 1982, S. 76; Der Kreis Krummau an der Moldau, ed. R. Essl, 1983, S. 327f., 423; Mühl a Waldviertel …, 1992, S. 22, 142; Website der Papierfabrik in Větřní (Materialiensmlg. ÖBL, Wien).
(J. Mentschl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 59, 2007), S. 32f.
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