Spörlin, Michael (1784–1857), Industrieller und Wirtschaftsfunktionär

Spörlin Michael, Industrieller und Wirtschaftsfunktionär. Geb. Mülhausen, Schweiz (Mulhouse, Frankreich), 1784; gest. Wien, 22. 6. 1857; evang. HB. Aus angesehener Familie, Enkel eines Bgm., Sohn eines Pastors. S. lernte in der Tapetenfabrik seines Schwagers Jean Zuber in Rixheim und wurde von diesem ab 1802 (ab 1805 Teilhaber) auf Geschäftsreisen geschickt, wobei er große Tle. Europas kennen lernte und sich insbes. in Paris Anregungen für neue Tapetenmuster holte. 1808 übersiedelte er gem. mit einem anderen Schwager, Heinrich Rahn, nach Wien, wo er gute Voraussetzungen für die Tapetenerzeugung erkannte, zog sich aus dem Zuberschen Unternehmen zurück und begründete 1809 in Gumpendorf (Wien 6) die Papiertapeten- und Buntpapierfabrik Spörlin & Rahn, in der erstmals in Österr. Tapeten in großem Umfang hergestellt und bald auch nach Dtld., Italien und Polen exportiert wurden. 1813 erhielt er den Titel eines k. k. Hofpapiertapetenfabrikanten. S. war ein äußerst innovativer Unternehmer, der sich auch selbst auf chem. und mechan. Sektor weiterbildete. 1816 stellte er die ersten Tapeten mit Iriseffekt her, der bei den Verwandten in Rixheim weiterentwickelt wurde und auch im Kattundruck Verwendung fand. Ab 1821 perfektionierte S. die Erzeugung von Iristapeten und erhielt 1822 und 1823 Privilegien (Patente) auf den sog. Irisdruck, durch den neue Farbeffekte erzielt werden konnten. Weiters wurden neue techn. und kostensparende Verfahren entwickelt, wie der Endlosdruck und eine Methode, Tapeten schnell und ohne Unterlage auf die Wand aufzuziehen. 1830 errichteten S. und Rahn eine Tapeten- und Buntpapierfabrik in Warschau. 1836 trat Heinrich Zimmermann an Stelle des verstorbenen Rahn als Ges. in die Wr. Fa. ein, die nun als Spörlin & Zimmermann firmierte, nach dessen Tod 1852 folgten S.s Tochter Katharina Zimmermann und danach S.s Enkel Gustav Zimmermann. S. spielte auch eine maßgebl. Rolle bei der Organisation von Gewerbeausst., die 1835, 1839 und 1845 in Wien stattfanden, sowie der Weltausst. in London 1851. Gem. mit Ch. G. Hornbostel, R. v. Arthaber (beide s. d.) u. a. war S. maßgebl. an der Gründung des Nö. Gewerbever. (1839/40) beteiligt, dessen Vizepräs. er 1843/44 war. Um die fachl. Fortbildung des Arbeiterstandes bemüht, initiierte er die Einrichtung einer dem Gewerbever. angeschlossenen Zeichen- und Webschule. S., erster Alterspräs. der neugegr. Wr. HK, wurde für sein Wirken mit in- und ausländ. Orden ausgez. Ab 1811 war er Mitgl. der reformierten evang. Gmd. in Wien.

L.: Slokar; Wurzbach; W. F. Exner, Die Tapeten- und Buntpapier-Ind.…, 1869, s. Reg.; 50 Jahre gewerbl. Bestrebungen, 1890, S. 2, 25, 31, 406f.; 100 Jahre österr. Wirtschaftsentwicklung 1848–1948, ed. H. Mayer, 1949, s. Reg.; Die evang. Gmd. H. B. in Wien, ed. P. Karner (= Forschungen und Beitrr. zur Wr. Stadtgeschichte 16), 1986, S. 86; G. Chaloupek u. a., Wien. Wirtschaftsgeschichte 1740–1938, 1 (= Geschichte der Stadt Wien 4), 1991, S. 195, 209; Ch. Witt-Dörring, in: Das k. k. National-Fabriksprodukten-Kabinett, ed. Th. Werner, 1995, S. 162ff. (m. L.); Evang. Oberkirchenrat HB, Wien; Materialiensmlg. ÖBL, Wien.
(J. Mentschl)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 59, 2007), S. 44f.
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