Stampfer, Simon (1790–1864), Geodät, Mathematiker, Physiker und Astronom

Stampfer Simon, Geodät, Mathematiker, Physiker und Astronom. Geb. Windischmatrei (Matrei in Osttirol, Tirol), 26. 10. 1790; gest. Wien, 10. 11. 1864. Schwiegervater von Herr (s. d.). Aus einer Tagelöhnerfamilie stammend, erhielt er nach einem Unfall mit Dauerfolgen erst im Alter von elf Jahren Unterricht. S. besuchte das Franziskanergymn. in Lienz, 1807–14 das Gymn. und Lyzeum in Salzburg. 1814 Lehramtsprüfung in München u. a. in Mathematik und Naturwiss. Ohne bayer. Staatsbürgerschaft durfte er sein Lehramt aber nicht ausüben und erteilte zwei Jahre Nachhilfe in Mathematik. 1816 Supplent für Elementarmathematik und Physik, ab 1817 auch für angewandte Mathematik am Lyzeum in Salzburg; zugleich Supplent am Salzburger Gymn. 1819 öff. o. Prof. für reine Elementarmathematik am Lyzeum in Salzburg, wo er i. d. F. auch die Lehrkanzel für Physik suppl. 1825 an das Wr. polytechn. Inst. berufen, wurde S. 1826 Prof. für prakt. Geometrie. 1848 frühzeitig emer., vertrat er interimist. bis 1853 seinen Nachfolger Ch. Doppler (s. d.), als dessen Förderer er galt. Bereits ab 1815 befaßte sich S. mit Astronomie und forschte im Schloß Mirabell (bis 1818), das er zu einem astronom. Observatorium umfunktionierte, und ab 1817 an der Sternwarte des Stifts Kremsmünster. S. berechnete die Sonnenfinsternisse von 1842 und 1851 sowie die Durchmesser kleiner Planeten. 1816–19 nahm er an der Landvermessung im Gefolge der neuen Grenzziehung zwischen Bayern und Österr. teil und wirkte ab 1817 an Längengradmessungen mit. Gleichzeitig machte S. Versuche über die Schallgeschwindigkeit bei großem Höhenunterschied und entwickelte 1822 Logarithmentafeln. 1824 führte er Höhenmessungen durch. Gem. mit dem Mechaniker Christof Starke entwickelte S. zahlreiche geodät., astronom. und opt. Instrumente (u. a. Optometer 1832, Spärometer, opt. Entfernungsmesser, Planimeter), die aufgrund ihrer Präzision Weltruhm erlangten. 1836 erhielt er ein Patent für ein Nivelliergerät mit der Neuerung der S.schen Meßschraube. S. führte auch Maßvergleiche durch und setzte sich vorerst erfolgreich gegen die Einführung des metr. Maßsystems ein. Auf kartograph. Gebiet beschäftigte er sich mit Kegelprojektionen sowie mit der Abbildung der Kugel in der Ebene. 1833 erfand er die stroboskop. Scheibe, die dem Betrachter den Eindruck eines „laufenden Bildes“ vermittelt. Dieses Prinzip weiterentwickelnd, schuf er die ersten Grundlagen für den Film. Als Berater der Wr. Optiker Plössl (s. d.), Johann Friedrich und Peter Wilhelm Friedrich Voigtländer schuf er die theoret. Grundlagen für deren prakt. Neuerungen. Selbst entwickelte S. das dialyt. Fernrohr und bewirkte die Errichtung der ersten Hütte für opt. Glas in Wien 1844, womit Österr. nicht mehr auf Importware angewiesen war. Auf physikal. Gebiet publ. S. über Eigenschaften von Wasser, über Alkoholmeter, die Ausliterung von Fässern (S.scher Weinvisierstab) und Zeitmessung. S. war Gründungsmitgl. der Akad. der Wiss. in Wien. 1950 wurde ein Kleinplanet nach ihm benannt.

W.: s. u. Almanach Wien; Wurzbach; Allmer; P. Schuster – Ch. Strasser.
L.: Die Presse, 2./3. 3. 1991 (m. B.); Sbg. Nachrichten, 16. 11. 1994; ADB; Almanach Wien 15, 1865, S. 189ff. (m. W.); Poggendorff 2–4; Wurzbach (m. W.); A. Lechner, Geschichte der TH in Wien (1815–1940), 1942, s. Reg; 150 Jahre TH in Wien 1815–1965, ed. H. Sequenz, 1–2, 1965, passim (m. B.); W. Formann, Österr. Pioniere der Kinematographie (= Österr.-R. 326/327), 1966, S. 10ff. (m. B.); E. Attlmayr, in: Tiroler Pioniere der Technik … (= Tiroler Wirtschaftsstud. 23), 1968, S. 73ff.; Ch. Hantschk, J. J. Prechtl und das Wr. Polytechn. Inst. (= Perspektiven der Wiss.geschichte 3), 1988, passim; Biograph. Enz. dt.sprachiger Naturwiss. 2, 1993; G. Füsslin, Opt. Spielzeug oder wie die Bilder laufen lernten, 1993, S. 26ff., 31, 37; P. Schuster, in: Technik – Politik – Identität …, ed. K. Plitzner, 1995, S. 28ff., 32ff., 37; F. Allmer, S. S. 1790–1864 … (= Mitt. der geodät. Inst. der TU Graz 82), 1996 (m. W.); P. Schuster – Ch. Strasser, S. S., 1790–1864 (= Schriftenr. des Landespressebüros, Ser. Sonderpubl. 142), (1998) (m. B. u. W.); FS zum S. v. S. Symposium, ed. J. Brückl – G. Navratil (= GeoInfo 29), 2004; G. Pfaundler-Spat, Tirol-Lex., neubearb. Aufl. 2005.; Archiv der TU, Materialiensmlg. ÖBL (m. B. u. W.), beide Wien.
(M. Pesditschek)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 59, 2007), S. 86f.
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