Stein, Marc (Mark) Aurel Sir (1862–1943), Asienforscher, Archäologe und Sprachwissenschaftler

Stein Marc (Mark) Aurel Sir, Asienforscher, Archäologe und Sprachwissenschaftler. Geb. Pest (Budapest, Ungarn), 26. 11. 1862; gest. Kabul (Afghanistan), 26. 10. 1943; evang. Aus einer jüd. Familie stammend, Onkel von Ernst Edward Stein, Neffe von I. Hirschler (beide s. d.). S. besuchte ab 1871 das Piaristengymn. in Pest, 1873–77 die Kreuzschule in Dresden, 1877–79 das evang. Gymn. in Pest. Nach zwei Semestern klass. Philol. und Indogermanistik an der Univ. Wien (1879–80) stud. er 1880–81 in Leipzig bei dem Indologen Johann Georg Bühler (s. d.), dann bis 1884 in Tübingen Indol. und Iranistik; 1883 Dr. phil. Nach linguist. Stud. in Oxford und London (1884) absolv. er 1885–86 sein Einjährig-Freiwilligenjahr an der Budapester Ludovica Akad. 1887 reiste S. mit einem ung. staatl. Stipendium nach Brit. Indien und erhielt 1888 die Stelle des Principals (Rektors) des Oriental College und des Registrars (Kanzlers) der Punjab Univ. in Lahore. Er begann die archäolog. Stätten in Kaschmir zu erforschen und führte 1900–01 die erste seiner Zentralasien-Expeditionen durch, deren reiche archäolog., kunst- und sprachgeschichtl. Ergebnisse er, ebenso wie diejenigen seiner folgenden Expeditionen, der Forschung durch Kauf und Publizierung zugängl. machte. Ab 1904 brit. Staatsbürger, war S. bis 1910 Chef des Unterrichtswesens und des archäolog. Dienstes in den nordwestl. Grenzprov. von Brit. Indien und 1910–29 Chef des Indian Archaeological Survey. Auf seiner zweiten Expedition (1906–09) erforschte er u. a. den alten chines. Limes, wobei er zahlreiche linguist. und hist. bedeutsame schriftl. Dokumente fand, und, bereits 1902 von Lóczy (s. d.) dazu angeregt, 1907 die sog. „Höhlen der 1000 Buddhas“ bei Dunhuang, einer Niederlassung an der alten Seidenstraße. Hier stud. er die Wandmalereien und entdeckte die im Westen bis dahin unbekannte „Verborgene Bibliothek“. Er erwarb eine große Anzahl von deren mehrere Tausend umfassenden Schriften und Malereien und brachte sie größtenteils nach England, was später zu heftigen polit. Kontroversen führen sollte. 1909–11 hielt sich S. in Europa auf und hielt u. a. Vorträge an der Akad. der Wiss. in Budapest, deren k. M. er seit 1895 war, 1909 Dr. h. c. der Univ. von Oxford und Cambridge und 1912 in den brit. Adelsstand erhoben. 1913–16 bereiste er wieder die südl. Seidenstraße und erwarb in Dunhuang weitere Schriften. Die Folgezeit verbrachte S. teils in Indien, teils in Europa (England, Ungarn, Österr.), hielt Vorlesungen in den USA und identifizierte auf vier Reisen im Iran (1932–36) u. a. aus der antiken Überlieferung stammende topograph. Angaben zum Zug Alexanders des Großen. Mitgl. bzw. Ehrenmitgl. zahlreicher Akad. und wiss. Ges., ist S. sowohl als Gelehrter als auch als Forschungsreisender von einmaliger Bedeutung für die geograph. Kenntnis vieler Tle. Zentralasiens und erschloß durch die Menge des von ihm gesammelten archäolog. und linguist. Materials völlig neue Aspekte für die Erforschung von dessen Geschichte und Kulturen.

W. (meist mehrmals aufgelegt): s. u. Erdélyi.
L.: C. E. A. W. Oldham, in: Proceedings of the British Acad. 29, 1943, S. 329ff.; E. Baktay, A boldogvölgy országa, 1934; L. Rásonyi, S. A. és hagyatéka, 1960; ders., Sir A. S., 1962; Z. Halász, Romvárosok a sivatagban, 1966, 2. Aufl. 1986; V. H. Boros, S. A. ifjúsága, 1970; J. Mirsky, Sir A. S., 1977; The Art of Central Asia. The S. Collection in the Brit. Museum, 3 Bde., 1982; A. Walker, A. S., 1995; J. Erdélyi, Sir A. S. Bibliography 1885–1943 (= Arcadia Bibliographica virorum eruditorum 17), 1999; Cat. of the Collections of Sir A. S. in the Library of the Hungarian Acad. of Sciences, ed. E. Apor – H. Wang, 2002; Sir A. S. in The Times, ed. H. Wang, 2002; Magyar Nagy lex. 16, 2003; J. Dalton – S. van Schaik, Tibetan Tantric Manuscripts from Dunhuang, 2006; UA, Wien; Mitt. Csaba Szabó, Szigetszentmiklós, Ungarn.
(H. Reitterer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 153
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