Steinherz, Samuel (1857–1942), Historiker

Steinherz Samuel, Historiker. Geb. Németújvár, Ungarn (Güssing, Bgld.), 16. 12. 1857; gest. KZ Theresienstadt, Protektorat Böhmen und Mähren (Tschechien), 16. 12. 1942 (umgekommen); mos. Sohn eines Kaufmanns. S. wuchs in Graz auf, wo er 1868–75 das Gymn. besuchte und ab 1875 an der Univ. Geschichte und dt. Philol. stud.; 1882 Dr. phil. 1882–85 absolv. S. den Kurs am Inst. für österr. Geschichtsforschung in Wien und vertiefte seine Inst.arbeit über die Beziehungen Ludwigs I. von Ungarn zu Karl IV. durch Forschungen in Budapest und Venedig. 1887 kehrte S. nach Graz zurück, um sich für österr. Geschichte zu habil. Dazu kam es aufgrund von Mißverständnissen nicht, doch nützte S. die Zeit, um neben seinen hist. Forschungen ein Jusstud. abzuschließen; 1894 Dr. jur. Im Auftrag Sickels (s. d.) sammelte S. urkundl. Material in Grazer und Wr. Archiven und arbeitete ab 1894 auf dessen Wunsch im Vatikan. Archiv an der Hrsg. des ersten Bd. der Nuntiaturberr. aus Dtld. (1560–72). 1895 habil. sich S. für österr. Geschichte, 1898 wurde die Venia auf allg. Geschichte des Mittelalters und der Neuzeit erweitert. 1901 wurde S. ao. Prof., 1908 o. Prof. für hist. Hilfswiss. sowie 1915 auch für österr. Geschichte an der dt. Univ. Prag. 1913/14 war er Dekan der phil. Fak. und ab 1915 einer der drei Dir. des Hist. Seminars. S., einer der herausragendsten Vertreter der österr. Schule der Geschichtswiss., war ab 1915 Mitgl. der Ges. zur Förderung dt. Wiss., Kunst und Literatur in Böhmen und Mitgl. des Ver. für Geschichte der Dt. in Böhmen. Als er aufgrund des übl. Turnus für das Stud.jahr 1922/23 zum Rektor der dt. Univ. Prag gewählt wurde, kam es zu massiven antisemit. Aktionen insbes. von seiten der aus dt.nationalen und christl.sozialen Studenten bestehenden „Deutsch-arischen Studentenschaft“. Sein Rücktrittsgesuch wurde vom Min. allerdings nicht beantwortet, weswegen S. die ganze Periode hindurch Rektor blieb. 1928 emer., griff er i. d. F. als Vorstand der Ges. für Geschichte der Juden in der Čechoslovak. Republik (1928–40), deren Jb. er hrsg., spezielle Fragen der jüd. Geschichte in Böhmen auf. Anfang Juli 1942 wurde S. nach Theresienstadt deportiert, wo er, obwohl fast erblindet, noch Vorlesungen über jüd. Geschichte hielt.

W.: s. u. Oberkofler.
L.: Enc. Jud.; Lhotsky, Inst., s. Reg.; Santifaller, s. Reg.; Wininger; G. Kisch, Historia Judaica 10, 1948, S. 191ff.; E. Makarova u. a., Univ. Over The Abyss, 2000, S. 450 (m. B.); P. Arlt, in: M. Glettler – A. Míšková, Prager Prof. 1938–48 (= Veröff. zur Kultur und Geschichte im östl. Europa 17), 2001, S. 71ff.; F. Kavka, Ohlédnutí za padesáti lety ve službě českému dějepisectví, 2002, S. 191ff.; F. Fellner – D. A. Corradini, Österr. Geschichtswiss. im 20. Jh., 2006; G. Oberkofler, S. S. 1857–1942, 2007 (m. B. u. W.); ders., in: Alfred Klahr Ges. Mitt. 14, 2007, Nr. 2, S. 11ff. (m. B.); IKG, UA, beide Graz, Stmk.; AVA, UA, beide Wien; UA, Praha, Tschechien.
(G. Oberkofler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 188
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