Stern, Alfred (1831–1918), Funktionär, Politiker und Rechtsanwalt

Stern Alfred, Funktionär, Politiker und Rechtsanwalt. Geb. Wien, 29. 8. 1831; gest. ebd., 1. 12. 1918; mos. Bruder von Victor S. (s. u.), Onkel des Komponisten Oscar Straus, den er nach dem frühen Tod von dessen Vater aufzog. S. stud. Jus an der Univ. Wien, 1857 Dr. jur., und war ab 1868 als Hof- und Gerichtsadvokat tätig. 1888–1900 liberaler Gmd.rat der Stadt Wien, konnte er sich v. a. in der Finanzkomm. profilieren. Als Gegner der christl.sozialen Partei bekämpfte er bes. den Antisemitismus Luegers (s. d.). Ab 1888 war S. als Vertreter der Österr.-israelit. Union Vorstandsmitgl. der IKG, ab 1896 deren Vizepräs. und 1903–18 Präs. S. wandte sich gegen jenen Teil der Wr. Orthodoxie um die Schiffschul, der sich von der IKG abspalten wollte, und erwarb sich große Verdienste um die Konsolidierung der Verwaltung der IKG, war aber auch bekannt für seinen autoritären Führungsstil. In seiner Amtsperiode wurden u. a. die Augartengründe für das jüd. Kinderspital gesichert und 1917 der neue jüd. Friedhof (Wr. Zentralfriedhof, IV. Tor) errichtet. S.s Hauptanliegen, der Bau eines großen Tempels in der Inneren Stadt und die Errichtung eines neuen Amtsgebäudes für die IKG, waren umstritten und konnten aufgrund der wirtschaftl. Verhältnisse während des 1. Weltkriegs nicht realisiert werden. 1904 war S. einer der Gründer des Ver. zur Kolonisation Palästinas. Er war außerdem Vizepräs. des Komitees zum Schutze der Juden im Osten und 1912–18 Präs. der Israelit. Allianz. 1918 holte er Zwi Perez Chajes, mit dessen Familie in Brody er bekannt war, als stellv. Wr. Oberrabb. mit dem Recht zur Nachfolge Güdemanns (s. d.) nach Wien. Im November 1918 wurde S. nach einem Ultimatum des neugegr., zionist. ausgerichteten Jüd. Nationalrats für Österr. vom Vorstand der IKG zum Rücktritt gezwungen. Kurz danach wurde er Ehrenpräs. der IKG, der er eine namhafte anonyme Stiftung hinterließ. Sein Bruder Victor S. (geb. Wien, 4. 5. 1837; gest. ebd., 3. 2. 1913; mos.) war nach Schulbesuch in Wien bis 1868 kaufmänn. tätig, wandte sich jedoch, u. a. beeinflußt durch die Bekanntschaft mit Hebbel (s. d.), der schriftsteller. Laufbahn zu und schuf i. d. F. unter dem Ps. E. Stella eine Reihe von Tragödien, etwa „Valentin“, 1868, „Schloß Arnheim“, 1893, oder „Lukas und Creszent“, 1907. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zuerst durch Privatstunden, später als Sekr. des Journalisten- und Schriftstellerver. „Concordia“.

L.: Die Wahrheit, 20. 5. 1904, 1. 12. 1905, 4. 10., 15. 11., 13. 12. 1918; Dr. Blochs WS, 25. 8. 1916, 27. 9., 8. 11., 13. 12. 1918, 12. 12. 1919; NFP, NWT, 2. 12. 1918; E. Feldsberg, in: Demokrat. Bund, Mitte Februar 1953, S. 6; B. Grun, Prince of Vienna. The Life, The Times and The Melodies of O. Straus, 1955, s. Reg.; E. Hausner, Die Tätigkeit des Wr. Gmd.rats in den Jahren 1884–88, phil. Diss. Wien, 1974, S. 418f.; F. Mailer, Weltbürger der Musik. Eine O.-Straus-Biographie, 1985, s. Reg; Rechtsanwaltskammer Wien, UA, beide Wien. – Victor S.: NFP, 4. 2. 1913; Brümmer (m. W.); Czeike; Hdb. jüd. AutorInnen; Kosch; Kosel 1; Wurzbach; Bibliographia Judaica 3, bearb. R. Heuer, 1988; P. Steines, Hunderttausend Steine, 1993, S. 197.
(E. Adunka – E. Lebensaft)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 60, 2008), S. 222f.
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