Stifft, Andreas Joseph Frh. von (1760–1836), Mediziner

Stifft Andreas Joseph Frh. von, Mediziner. Geb. Röschitz (NÖ), 30. 11. 1760; gest. Schloß Schönbrunn, NÖ (Wien), 16. 6. 1836. Sohn eines Weinbauern, Großvater von Andreas Frh. v. S. d. J., Vater von Andreas Frh. v. S. d. Ä. (beide s. d.). – S. stud. Med. an der Univ. Wien; 1784 Dr. med. Zunächst prakt. Arzt, wurde er 1795 2. Stadtphysicus von Wien und 1796 zum Hofarzt bestellt. 1799–1835 auch Leibarzt von K. Franz II. (I.) (s. d.), bekleidete S. nicht nur das Amt des Protomedicus, sondern auch wichtige Funktionen an der med. Fak. der Univ. Wien, an der Gesamtuniv. und im öff. Gesundheitswesen: 1803–34 Präses und Dir. der med. Fak., ab 1808 Referent für med. Angelegenheiten bei der Stud.hofkomm. – u. a. nahm er die Tierärztl. Hochschule aus der militär. Verwaltung heraus und unterstellte sie der Stud.hofkomm. –, 1810 HR, ab 1811 San.referent im Staatsrat, ab 1813 w. Staats- und Konferenzrat. Auf ihn gehen die neuen Stud.ordnungen der med. Fak. der Univ. Wien von 1804, 1811 und 1833 zurück. Ab 1811 red. er die von ihm initiierten „Medicinischen Jahrbücher des k. k. österreichischen Staates“. S., Anhänger der Metternichschen Restaurationsbewegung, war nicht unumstritten. Er unterzog Studierende und Prof. strengen Kontrollen, um revolutionäre Einflüsse aus dem Ausland bzw. abweichende Lehrmeinungen zu unterbinden, und betrieb die Absetzung und Entlassung von polit. als nicht zuverlässig oder als zu innovativ eingestuften Prof., u. a. von J. P. Frank (s. d.) und dessen Sohn Joseph, einem Anhänger des Brownianismus, sowie von J. Nep. Rust und Boër (beide s. d.), wodurch er der Univ. Wien erhebl. wiss. Schaden zufügte. Dennoch gilt S. auch als Reformer: Die beginnende Fachdifferenzierung innerhalb der Med. und der Chirurgie förderte er durch die Aufnahme von Chemie, Botanik, Pharmazie, Gerichtsmed. und Augenheilkde. als obligate Fächer in den Lehrplan. 1804 begründete er die Lehrkanzel für Staatsarzneikde. (heute Gerichtsmed.), 1807 schuf er zur Förderung der prakt. Chirurgenausbildung nach dem Vorbild der med.-chirurg. Militärakad. im Josephinum ein ziviles Operateur-Inst. im Wr. AKH. 1812 errichtete er dort die erste Univ.-Augenklinik weltweit (1818 Erhebung zum Ordinariat). S. propagierte außerdem die Kuhpockenimpfung, weiters ist ihm die Errichtung eines San.korps zu verdanken. Ebenso erkannte S. die Bedeutung der techn. Wiss. und trug wesentl. zur Gründung des Wr. Polytechnikums bei. 1814 Erhebung in den erbl. Frh.stand, 1838 Mitgl. der Dt. Akad. der Naturforscher Leopoldina.

Weitere W. (auch s. u. Boegershausen): Abh. über einige Luftarten und derselben Einfluss auf thier. Körper, 1784; Prakt. Heilmittellehre, 2 Bde., 1790–92; Resultate bey der Bereitung des Syrupes aus den Maisstengeln, in: Med. Jbb. 1, 1812; etc.
L.: NFP, 31. 3. 1905; AZ, 2. 2. 1958; ADB; Czeike (auch s. u. S.denkmal); Fischer; Hirsch; Lesky, s. Reg. (m. B.); Wurzbach; Az orvostudományi kar tőrténete 1770–1935, ed. T. Győry, 1936, s. Reg.; E. Lesky, in: AfÖG 122, 1959, H. 1, S. 214ff.; H.-M. Boegershausen, Personalbiliographie … Innere Med. … Univ. Wien … 1790–1850, med. Diss. Erlangen, 1972, S. 6ff., 173 (m. B. u. W.); H. Egglmaier, Das med.-chirurg. Stud. in Graz, 1980, s. Reg.; W. Häusler, in: Jb. des Inst. für Dt. Geschichte 15, 1986, S. 234ff.; M. Habacher, in: Jb. des Ver. für Geschichte der Stadt Wien 50, 1994, S. 114f.; A. Ehrlich, Ärzte, Bader, Scharlatane …, 2007, S. 197f.; UA, WStLA, beide Wien.
(G. Schmidt-Wyklicky)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 257f.
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