Stolz, Otto (1842–1905), Mathematiker

Stolz Otto, Mathematiker. Geb. Hall (Hall in Tirol, Tirol), 3. 7. 1842; gest. Innsbruck (Tirol), 23. 11. 1905. Sohn von Josef, Neffe von Michael, Bruder von Friedrich d. Ä. (alle s. d.), Vater von Friedrich S. d. J. (s. u.). – Nach Absolv. des Franziskanergymn. in Hall (1852–55), des Innsbrucker Staatsgymn. und des Militärdiensts 1859 stud. S. ab 1860 Mathematik, Physik, Chemie und Botanik an der Univ. Innsbruck (1862 Preis der Univ.), ab 1863 Phil., Mathematik und Astronomie in Wien; 1864 Dr. phil. in Innsbruck. 1864–65 Hauslehrer bei Paumgartten (s. d.) in Mainz und Lemberg (L’viv), ging S. 1865 an die Univ.sternwarte nach Wien, 1867–69 prov., dann def. (Hilfs-)Ass. 1867 Habil. für die gesamte Mathematik an der Univ. Wien, hielt S. bis 1872 Vorlesungen v. a. über Theorie und Anwendung der Determinanten und über die Grundlagen der Geometrie, unterbrochen von Stud.aufenthalten in Berlin 1869, u. a. bei Karl Weierstraß, und 1871 in Göttingen. 1872 ao. Prof. am neu errichteten zweiten Lehrstuhl für Mathematik an der Univ. Innsbruck; 1876 o. Prof. und Eröffnung des von S. initiierten und geleiteten Mathemat. Seminars; 1877/78, 1888/89 Dekan der phil. Fak., 1890/91 Rektor, 1904 HR, 1905 i. R. Als einer der bedeutendsten Mathematiker Österr. befaßte sich S. v. a. mit algebra. und analyt. Geometrie und mit der Weiterentwicklung der Weierstraßschen Ideen zur Differential- und Integralrechnung sowie mit der Geschichte seines Fachs. Der S.sche Winkelraum von 1875 verallgemeinert den Abelschen Grenzwertsatz, 1893 entwickelte S. den S.schen Irrationalitätssatz (= Satz von S.-Cesàro). Seine Vorlesungen über allg. Arithmetik stellten den ersten Versuch eines Gesamtüberblicks in dt. Sprache dar. S. internationalisierte die Innsbrucker Mathematik und betrieb – allerdings erfolglos – die Errichtung einer dritten mathemat. Lehrkanzel für Geometrie. In seiner Zeit als Univ.verwalter erstellte er die Geschäftsordnung der phil. Fak. U. a. wurde S. 1890 k. M. der Kgl. Böhm. Ges. der Wiss. in Prag, 1900 k. M. der Bayer. Akad. der Wiss. in München, 1893 k. M., 1899 w. M. der Akad. der Wiss. in Wien und 1898 Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl. Sein Sohn Friedrich S. d. J. (geb. Innsbruck, 10. 1. 1878; gest. Pitztal, Tirol, 14. 8. 1899, Unfall; röm.-kath.) stud. 1896–98 an der phil. Fak. der Univ. Innsbruck, danach in München, v. a. Botanik, Zool. und Mineral. Bereits als Schüler zeigte er Interesse für das Fach Botanik und begann, Phanerogamen, Kryptogamen und Gallen zu sammeln. Viele Beitrr. in dem von seinem Lehrer Dalla Torre (s. d.) veröff. Verzeichnis der Tiroler Gallen stammen von ihm. Auch an Paul Wilhelm Magnus sandte Friedrich S. Pilzsmlgg. aus Tirol, die dieser in seiner Stud. über die Erysipheen Tirols als bedeutend hervorhob. Daneben befaßte sich Friedrich S. mit Leber- und Laubmoosen, die er aus allen Teilen Tirols zusammentrug. Bei einer dieser Expeditionen verunglückte er am Westgrat der Seekarlesschneid (Pitztal). Seine reichhaltigen Lebermoosfunde wurden von Joseph Bernhard Jack als ein Beitr. zur Lebermoosflora Tirols publ., seine Forschungen zur Biol. der Laubmoose wurden drei Jahre nach seinem Tod veröff. Sein bryolog. Nachlaßherbar wurde von Matouschek (s. d.) bearb.

W.: s. u. Gmeiner; Peppenauer; Poggendorff. – Friedrich S.: s. u. Stafleu.
L.: Almanach Wien 56, 1906, S. 292ff. (m. B.); Poggendorff 3–5 (m. W.); Wurzbach; J. A. Gmeiner, in: Jahresberr. der Dt. Mathematiker-Vereinigung 15, 1906, S. 309ff. (m. B. u. W.); H. Peppenauer, Geschichte des Stud.faches Mathematik an der Univ. Wien von 1848–1900, phil. Diss. Wien, 1953, S. 193ff., 365f., 409ff. (m. W.); G. Oberkofler, in: Die Fächer Mathematik, Physik und Chemie an der Phil. Fak. zu Innsbruck bis 1945, ed. F. Huter, 1971, s. Reg.; T. Mayerhofer, Der Lehrkörper der Phil. Fak. von 1848 bis 1873, phil. Diss. Wien, 1982, S. 280ff.; Ch. Binder, in: Beitrr. zur Geschichte, Phil. und Methodol. der Mathematik 2 … (= Wiss. Z. der Ernst-Moritz-Arndt-Univ. Greifswald, Math.-Nat. R. 38/4), 1989, S. 3ff.; Korrespondenz F. Klein – A. Mayer, ed. R. Tobies – D. E. Rowe, 1990, passim; G. Pfaundler-Spat, Tirol-Lex., neubearb. Aufl. 2005; UA, Innsbruck, Tirol; AVA, UA, WStLA, Materialiensmlg. ÖBL, alle Wien. – Friedrich S.: Innsbrucker Nachrichten, 16. 8. 1899; Stafleu (m. W. u. L.); P. Magnus, in: Österr. Botan. Z. 49, 1899, S. 378ff.; Jahresber. des Akadem. Alpenclub Innsbruck 1899–1900, 1900, S. 79ff.; Botan. Centralbl. 81, 1900, S. 415ff.; K. W. v. Dalla Torre – L. Gf. v. Sarnthein, Flora der gefürsteten Grafschaft Tirol … 1, 1900, S. 403; F. Matouschek, in: Berr. des naturwiss.-med. Ver. Innsbruck 28, 1903, S. 1ff. (m. B.); J. P. Frahm, Lex. dt.sprachiger Bryologen, 2. Aufl. 2001; UA, Innsbruck, Tirol; Mitt. Georg Gärtner, Innsbruck, Tirol.
(M. Pesditschek – M. Petz-Grabenbauer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 318f.
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