Stoppani, Antonio (1824–1891), Geologe, Paläontologe und Geistlicher

Stoppani Antonio, Geologe, Paläontologe und Geistlicher. Geb. Lecco, Lombardo-Venetien (Italien), 15. 8. 1824; gest. Mailand (Milano, Italien), 1. 1. 1891. Sohn eines Wachsfabrikanten, Onkel von Maria Montessori (1870–1952). – Nach dem Besuch der Knabenseminare zu Castello (1835–40) und San Pietro Martire stud. S. 1843–48 Phil. und Theol. an den erzbischöfl. Seminaren von Monza und Mailand; 1848 Priesterweihe. S., der sich zunächst aktiv an der Revolution von 1848 beteiligte, wirkte als Lehrer für latein. Grammatik am Seminar zu San Pietro Martire, wurde aber wegen seiner antiösterr. Einstellung seines Amts enthoben. 1854 Hauslehrer, i. d. F. Dir. eines Waisenhauses, erhielt er 1857 eine Anstellung an der Bibl. Ambrosiana, wo er sich als Autodidakt Kenntnisse in Geol. und Paläontol. erwarb. Bereits früh interessierte er sich für Naturwiss., insbes. für Physik, sowie für die Lehren von Rosmini Serbati (s. d.). Nun entstanden erste Publ. über paläontolog. und geolog. Forschungen in der Lombardei, die national wie international Aufsehen erregten. Aufgrund der polit. Neugestaltung Siziliens mußte eine neue geolog. Karte Italiens erstellt werden, woran S. zunächst intensiv beteiligt war; der Widerstand gegen seine Ansichten führte dann aber zu seinem Rücktritt. 1861 ao. Prof. für Geol. an der Univ. Pavia, übernahm er 1862 in Mailand die neu begründete Professur für Geol. am Ist. Tecnico und damit gleichzeitig auch die Leitung des Mus. Civico. Reisen führten ihn nach Frankreich, Dtld., England, Schottland, 1874 in den Orient und 1887 nach Rußland. 1878 verließ er aus polit. Gründen Mailand und übernahm den Lehrstuhl für Geol. am Ist. degli Studi Superiori in Florenz, wo er auch das Mus. di San Marco modernisierte. Ab 1882 leitete er wieder die naturwiss. Smlgg. des Mus. Civico in Mailand, wo heute noch Tle. seiner paläontolog. Forschungen zu sehen sind, und übernahm eine Professur am Polytechnikum. S. gilt als Vater der italien. Geol. Er war einer der ersten, die sich mit prähist. Pfahlbauten beschäftigten, erforschte die sedimentären Formationen der Trias und Jura Norditaliens, wobei sein bes. Schwerpunkt auf der Geol. der Brianza und der Rät. Alpen lag, untersuchte die Gletscherphänomene im Gebiet von Vezzano, beschrieb ihre morpholog. Wirkungen und befaßte sich mit Vulkanbildung und Bernstein. S. berühmtestes, mehrfach aufgelegtes Werk „Il Bel Paese“, 1876, vermittelte auf naturwiss. und geolog. Basis die Schönheit der verschiedenen Regionen Italiens. Als liberaler und daher nicht immer unumstrittener Kleriker war ihm die Verbindung zwischen Wiss. und Religion wichtig. In seiner letzten großen Arbeit „L’Exemeron“, 2 Bde., 1893–94, legte er das Verhältnis der geolog. Wiss. zum bibl. Schöpfungsber. dar. S. führte eine Reihe von Bergbesteigungen durch, an die heute die Capanna S., eine Berghütte am Resegone, erinnert. S., 1856 Mitgl. des Ist. Lombardo di Scienze e Lettere, 1858 k. M. der Geolog. Reichsanstalt in Wien, war Mitbegründer und 1874 Präs. des Club Alpino Italiano, 1883–91 Präs. der Società Italiana di Scienze Naturali, ab 1883 Mitgl. der Accad. della Crusca und Mitgl. der Accad. dei Lincei.

Weitere W.: s. u. Dizionario biografico; Memorie Agiati; Poggendorff.
L.: Memorie Agiati, 1903, S. 766 (m. W.); Poggendorff 3 (m. W.); Jb. der k. k. geolog. Reichsanstalt 9, 1858, S. X; A. de Gubernati, Dizionario biografico degli scrittori contemporanei, 1879 (m. B. u. W.); Verhh. der k. k. geolog. Reichsanstalt 1891, 1891, Nr. 4, S. 82f.; A. M. Cornelio, Vita di A. S., 1898 (m. B.); F. Xav. Kraus, in: Dt. Rundschau 103, 1900, S. 79ff.; E. Petrini, A. S., 1956; W. A. S. Sarjeant, Geologists and the History of Geol. 3, 1980 (m. L.); S. Morgana, in: L’Accad. della Crusca per Giovanni Nencioni 12, 2002, S. 253ff.; Materialiensmlg. ÖBL, Wien (m. B.); Mitt. Thomas Hofmann, Wien.
(D. Angetter)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 322f.
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