Stowasser, Josef Maria (1854–1910), Lehrer, klass. Philologe und Übersetzer

Stowasser Josef Maria, Lehrer, klass. Philologe und Übersetzer. Geb. Troppau, Schlesien (Opava, Tschechien), 10. 3. 1854; gest. Wien, 24. 3. 1910; röm.-kath. Sohn eines Apothekerprovisors, Vater von Otto Hellmuth S. (s. d.). – S. besuchte das dt. Gymn. in seiner Heimatstadt und stud. 1872–76 an der Univ. Wien klass. Philol. und Germanistik; 1879 Lehrbefähigungsprüfung. Von seinen Lehrern übten Hartel und Th. Gomperz (beide s. d.) nicht nur großen Einfluß auf ihn aus, sondern erkannten und förderten auch die Fähigkeiten ihres Schülers. Ab 1878 Supplent am Gymn. in Wien 9, war S. nach einem Stud.aufenthalt in Italien (1881) bis 1885 w. Gymn.lehrer in Freistadt und anschließend bis zu seiner krankheitsbedingten Pensionierung 1908 (Reg.Rat) Prof. am Franz Joseph-Gymn. in Wien 1; daneben lehrte er auch am Wr. Mädchen-Gymn. und war Privatlehrer von L. Hartmann und H. Gomperz (beide s. d.). S., der zu seiner Zeit nicht ungewöhnl. Typus des auf Univ.niveau wiss. arbeitenden Schulmanns, leistete auf beiden Gebieten Unkonventionelles und z. Tl. Richtungweisendes. Als Lehrer verstand er es, in der Zeit der Infragestellung der Dominanz der klass. Sprachen als Grundlage des gymnasialen Bildungssystems die Relevanz des gedankl. und sprachl. Erbes der Antike auch für die Gegenwart zu vermitteln. So waren seine bis heute ledigl. als Kuriosum angesehenen „Griechischen Schnadahüpfeln“, 1903, in denen er dt. Ged. in klass.-griech. Gewand und andererseits griech. Originale in Vierzeilern in der oö.-steir. Mundart wiedergab, ebenso wie seine nachdichter. Übertragungen „Griechenlyrik“, 1908, „Römerlyrik“, 1909, nicht eine bloße Demonstration seiner Virtuosität in den klass. und der dt. Sprache, sondern das Ergebnis seiner Überzeugung, daß der Gehalt der antiken Literaturen nur in ihrem jeweils passenden dt. Versmaß vermittelt werden könne. Wenn seine überaus zahlreichen Beitrr. zur Etymol. – bes. der sog. „dunklen“ Wörter des Früh- und Spätlateins – unter seinen oft zu freien Assoziationen gelitten haben, ist S. doch als Verf. seines latein.-dt. Schulwörterbuchs bis heute eponym geblieben. In diesem schon von den Zeitgenossen als epochemachend anerkannten Werk verstand er es als erster, das Material eines Wortes aufgrund von dessen etymolog. Entwicklung von der Grundbedeutung bis zu vereinzelt auftretenden Bedeutungen in einer geschlossenen, leicht übersehbaren und verständl. Begriffsreihe darzubieten, – eine Methode, die in ihrem Gesamtkonzept bis heute gültig geblieben ist.

Weitere W.: Noniana, in: 14. Jahresber. … Staats-Gymn. zu Freistadt in OÖ … 1884, 1884; Incerti auctoris Hisperica famina …, in: 13. Jahresber. … Franz-Joseph-Gymn. in Wien … 1886/87, 1887; Dunkle Wörter, 1890; Eine zweite Reihe dunkle Wörter, in: 17. Jahresber. … Franz-Joseph-Gymn. in Wien … 1890/91, 1891; Das verbum Lare, 1892; Lexikal.-Krit. aus Porphyrio, in: 19. Jahresber. … Franz-Joseph-Gymn. in Wien … 1892/93, 1893; Latein.-Dt. Schulwörterbuch, 1894, 3. Aufl., bearb. M. Petschenig – F. Skutsch, 1910, 7. Aufl. 1938; Der (kleine) Stowasser, bearb. dies., 1913, mehrere Bearb. und Neuaufl.; Beitrr. in Wr. Stud., Archiv für latein. Lexikographie und Grammatik, Z. für die österr. Gymn., Schulprogramme; etc.
L.: NFP, 12. 6. 1903, 12., 17. (A.) 2., 27. 3. 1910; FB, NWT (A.), 26. 10. 1910; Czeike; Killy; Nagl–Zeidler–Castle 3 (m. B.); A. Scheindler, in: Z. für die österr. Gymn. 45, 1894, S. 310ff.; 35. Jahresber. … Franz Joseph-Realgymn. in Wien … 1908/09, 1909, S. 39; S. Melcher, in: Z. für die österr. Gymn. 61, 1910, S. 315ff.; A. Scheindler, ebd., S. 983ff.; Mitt. des Ver. der Freunde des humanist. Gymn. 11, 1910, S. 10ff.; E. Castle, in: Das Wissen der Zeit 10, 1910, S. 126ff.; H. Fischl, in: Erziehung und Unterricht, 1954, S. 129ff.; E. Decsey, Musik war sein Leben, 1962, S. 27f.; Th. Gomperz, ed. R. A. Kann, 1974, S. 165f.; E. Rebholz, in: Jahresber. des Bundesgymn. Wien 9 … 1975/76, 1976, S. 18ff. (m. B.); UA, WStLA, Materialiensmlg. ÖBL, alle Wien; Mitt. Hubert Reitterer, Wien.
(Red.)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 334
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