Strakosch von Feldringen, Siegfried (1867–1933), Industrieller, Landwirt, Fachschriftsteller und Wirtschaftspolitiker

Strakosch von Feldringen Siegfried, Industrieller, Landwirt, Fachschriftsteller und Wirtschaftspolitiker. Geb. Brünn, Mähren (Brno, Tschechien), 19. 5. 1867; gest. Opatija, Kg.reich Jugoslawien (Kroatien), 19. 4. 1933; mos., 1904 Austritt aus der IKG, 1909 evang. Enkel von Salomon, Sohn von Isidor (1826–1898) und Pauline S., geb. Friess (1836–1894), Neffe von Jonas, Cousin von Felix, Sir Henry, Julius und Ludwig Strakosch (alle s. d.). Ab 1895 verehel. mit Rosa, geb. Schwarz, ab 1909 mit Wally, geb. Duschnitz (1884–1970), der Tochter des Großindustriellen und Börsensensals Fritz Duschnitz. In erster Ehe Vater von Georg S. v. F. (s. d.), in zweiter von Christine, verehel. Patzau, Lilly, verehel. Schnitzler, der Schwiegertochter Arthur Schnitzlers (s. d.), und Hans Friedrich S. v. F. – S. besuchte bis zu seinem 14. Lebensjahr das Gymn. in seiner Heimatstadt und trat dann in das Brünner Familienunternehmen, die Feintuch- und Schafwollwarenfabrik Brüder Strakosch, ein. 1895 übernahm S., der in der Zwischenzeit auch Berufserfahrungen im Ausland erworben hatte, gem. mit seinem Cousin Felix die Leitung der Fa. (1905 verkauft), 1901 – wiederum gem. mit Felix – die der Hohenauer Zuckerfabrik der Brüder Strakosch, wobei ihm v. a. die Verwaltung der Pachtgüter zufiel. Nach dem Tod des Vaters wurde S. öff. (zuvor stiller) Ges. der Fa., 1903 übersiedelte er nach Wien, wohin die Zentrale der Zuckerfabrik verlegt worden war. Neben seiner leitenden Tätigkeit im Unternehmen besuchte er in dieser Zeit als ao. Hörer Vorlesungen an der TH und der Univ. Wien. Er beschäftigte sich v. a. mit Lichtmessungen und Bodenrentabilitätsuntersuchungen und veröff. einschlägige Publ., u. a. in den Sbb. der Akad. der Wiss. in Wien. Die auf Reisen in die USA (1904) sowie nach Ägypten und in den Sudan (1909) gewonnenen Kenntnisse verwertete er für seine Analysen „Amerikanische Landwirtschaft, eine Reisestudie“ (1905) bzw. „Erwachende Agrarländer“ (1910). Ab 1927 wurde er in der Firmenleitung durch seinen Sohn Georg, der bereits 1924 als Ges. in die Hohenauer Zuckerfabrik eingetreten war, später auch durch seinen Neffen Oskar Strakosch, unterstützt. Das Kapital der OHG betrug damals 5 Mio. Schilling, während der Ernte wurden 1.100, im Normalbetrieb ca. 250 Arbeiter beschäftigt und in neun angegliederten gepachteten Betrieben ca. 3.400 ha bewirtschaftet. 1933 wurde der Gutshof Blaustauden bei Wulzeshofen gekauft. Bereits 1931 hatte S. die Wr. Süßwarenfabrik A. Egger’s Sohn erworben, die von seinem Schwiegersohn Otto Patzau übernommen wurde. Verstärkt befaßte sich S. auch mit Wirtschaftspolitik, war als Organisator diverser Landwirtschafts- und Großgrundbesitzerverbände tätig und beriet das Ackerbaumin. 1915–19 war er Dion.mitgl. des Amts für Volksernährung. 1910–19 war S. ein wichtiger Förderer und Autor der „Österreichischen Agrarzeitung“, ab 1917 engagierte er sich in der Österr. Polit. Ges., ab 1928 war er Vizepräs. der Österr. Land- und Forstwirtschaftsges. Seine Analyse „Der Selbstmord eines Volkes“ (1922) erregte durch pessimist. und antisozialist. Überlegungen zur Wirtschaftssituation Dt.-Österr. großes Aufsehen. 1926 publ. S. eine Kritik am sozialdemokrat. Agrarprogramm, „Das sozialdemokratische Agrarprogramm in seiner politischen und volkswirtschaftlichen Bedeutung“. 1922–29 war er Verw.R. der Österr. Boden-Credit-Anstalt, danach der Österr. Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe. S. erhielt zahlreiche Ehrungen: 1906 Orden der Eisernen Krone III. Kl., 1913 nob. mit dem Prädikat Edler v. Feldringen und Dr. h. c. der BOKU in Wien, 1917 Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens mit dem Stern, 1929 k. M. der Akad. der Landwirtschaft in Prag.

Weitere W.: s. u. Dr. h. c. S. v. S. F.
L.: NFP, 3. 10. 1907, 20., WZ, 22. 4. 1933; Jb. der Wr. Ges.; NÖB 15, S. 160ff.; Otto, Erg.Bd.; Dr. h. c. S. v. S. F. ..., (1933) (m. W., L. u. B.); J. Baxa, 1867–1967. 100 Jahre Hohenauer Zuckerfabrik der Brüder Strakosch 1867–1967, 1967, bes. S. 249ff. (m. B.); A. Fessen, Der österr. Wirtschaftsadel von 1909–18, phil. Diss. Wien, 1974; A. Schnitzler, Tagebuch 1931, 2000, s. Reg.; M.-Th. Arnbom, Friedmann, Gutmann, Lieben, Mandl und Strakosch, 2. Aufl. 2003, s. Reg. (m. B.).
(P. Melichar)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 351f.
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