Strakosch, Henry (Heinrich Eduard) Sir (1871–1943), Finanzexperte

Strakosch Henry (Heinrich Eduard) Sir, Finanzexperte. Geb. Hohenau (Hohenau an der March, NÖ), 10. 5. 1871; gest. Walton on the Hill (Großbritannien), 30. 10. 1943. Enkel von Salomon (s. d.), Sohn von Eduard S. (geb. Butschowitz, Mähren / Bučovice, Tschechien, 1830 oder 1831; gest. Wien, 29. 9. 1888; mos.), Ges. und Leiter der Hohenauer Zuckerfabrik der Brüder S., der als ein hervorragender Fachmann auf dem Gebiet der Rübenzuckerind. galt und u. a. 1874–81 Komiteemitgl. im Centralver. für Rübenzuckerind. in der österr.-ung. Monarchie war, Cousin von Felix, Julius und Ludwig S. sowie von Siegfried S. von Feldringen (alle s. d.). – S., der das Gymn. in Wien 9 besucht hatte, nahm 1907 die brit. Staatsbürgerschaft an. Ab 1891 in der Londoner Devisenabt. der Anglo-Austrian Bank tätig, lebte er ab 1895 in Südafrika und trat in die Fa. A. Goerz & Co. in Johannesburg, die südafrikan. Goldminen finanzierte, ein. 1900 wurde er Leiter der Londoner Niederlassung, 1902 deren Gen.dir. Als solcher beaufsichtigte er 1918 die Umwandlung der Fa. zur Union Corporation (1924 Gen.dir.). S.s intensive Beschäftigung mit der brit. Währungspolitik während des 1. Weltkriegs resultierte in der Veröff. von „The value of gold in our economic system“ (1918), woraufhin er von der südafrikan. Regierung als Finanzexperte konsultiert wurde. 1920 erschien „The South African Currency and Exchange Problem“ auf engl. und niederländ. S. hatte großen Anteil an der Schaffung des südafrikan. Banken- und Währungsgesetzes von 1920 sowie an der Gründung der South African Reserve Bank, der ersten Zentralbank des Empires außerhalb Großbritanniens. Bereits 1907 mit dem Orden der Eisernen Krone III. Kl. ausgez., wurde er 1921 in den brit. Adelsstand erhoben. S., der sehr gute Beziehungen zur City of London, einem der Hauptzentren des globalen Finanzwesens, unterhielt und Vertrauter von Montagu Norman, dem Gouverneur der Bank of England, war, vertrat Südafrika 1920 bei der Finanzkonferenz des Völkerbunds in Brüssel. Er gehörte bis 1937 dessen Finanzkomitee an und war 1. Vorstandsvors. 1925 empfahl er als Mitgl. der kgl. Komm. für die ind. Währung und Finanzen die Gründung einer Notenbank. 1928 verhinderten antisemit. Vorurteile seine Wahl zum Dir. der Bank of England. Zwei Jahre später wurde S. Mitgl. des Indienrats. Als Delegierter Indiens nahm er 1932 an der Wirtschaftskonferenz des brit. Empire in Ottawa sowie 1933 an der Londoner Währungs- und Wirtschaftskonferenz teil, 1937 wurde er Berater des ind. Staatssekr. S. gehörte ferner dem Verw.R. der Anglo-Austrian Bank an und vertrat ab 1928 die Bank of England im Verw.R. der Oesterr. Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe. 1929 führte er den Börsengang der Z. „The Economist“, in der er selbst publ., durch und wurde Aufsichtsratsvors. Nach der Abdankung Kg. Edwards VIII. etablierte S. 1936 den Imperial Fund mit einer Einlage von 250.000 Pfund, um die brit. Anleihen zu stärken. Als Churchill, der sich von S. im Zusammenhang mit Dtld. Rüstungspolitik beraten ließ, im März 1938 aufgrund des Kursverfalls seiner US-Aktien ein Vermögen verlor, unterstützte S. ihn finanziell und bedachte ihn außerdem mit einer Summe von 20.000 Pfund in seinem Testament. 1939 nahm ihn Churchill in seinen elitären polit. Dinnerclub, The Other Club, auf.

Weitere W.: A Financial Plan for the Prevention of War, 1929; Monetary Stability and The Gold Standard, in: Selected documents submitted to the Gold Delegation of the Financial Committee, 1930; The economic consequences of changes in the value of gold, ebd.; The road to recovery, with special reference to the problem of exchange stability and the restoration of the international gold standard, 1935; etc.
L.: H. G. Calhoun, Les theories de Sir H. S. en matière de crise et la crise de 1929–33, 1933; J. Baxa, 1867–1967. Hundert Jahre Hohenauer Zuckerfabrik der Brüder S., 1967, passim (zu Eduard S., m. B.); Dictionary of South African Biography 3, 1977; M. Gilbert, W. S. Churchill 5/2–4, 1981, s. Reg.; R. W. Boyce, British capitalism at the crossroads 1919–32, 1987; P. L. Cottrell, in: Rebuilding the financial system in central and eastern Europe, 1918–94, ed. ders., 1997, S. 29ff.; M.-Th. Arnbom, Friedmann, Gutmann, Lieben, Mandl und S., 2. Aufl. 2003, s. Reg. (m. B.); Oxford Dictionary of National Biography 52, 2004; Bundesgymn. 9, IKG (zu Eduard S.), Materialiensmlg. ÖBL, alle Wien; The National Archives, Kew, Großbritannien.
(P. L. Cottrell – I. Nawrocka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 61, 2009), S. 346f.
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