Strauß (Strauss), Josef (1827–1870), Komponist, Kapellmeister und Techniker

Strauß (Strauss) Josef, Komponist, Kapellmeister und Techniker. Geb. Mariahilf, NÖ (Wien), 20. 8. 1827; gest. Wien, 22. 7. 1870; röm.-kath. Sohn von Johann (Vater), Bruder von Johann (Sohn) und Eduard, Schwager von Henriette (Jetty) S. (alle s. d.), ab 1857 verehel. mit der Näherin Caroline Pruckmayer (1831–1900), Vater von Karoline S. (1858–1919), Onkel von Johann S. (Enkel) (s. d.). – S. erhielt seinen ersten Musikunterricht auf dem Klavier und Harmonium bei V. Plachý (s. d.), besuchte 1837–41 das Schottengymn. in Wien und war daneben Chorsänger in St. Leopold. Da keine Musikerlaufbahn geplant war, stud. S. 1841/42 an der kommerziellen, dann bis 1846 an der techn. Abt. des Wr. polytechn. Inst., nahm 1844–50 zugleich Zeichenunterricht und besuchte 1846/47 die Architekturschule an der ABK. 1846 wurde er Bauzeichner beim Stadtbaumeister Anton Übel. S. war 1848 Mitgl. der Akadem. Legion; dem väterl. Wunsch, nach Niederschlagung der Revolution eine militär. Laufbahn einzuschlagen, kam er nicht nach. 1851 übernahm er Aufsicht und Bauleitung eines Wehrs an der Triesting in Trumau, 1852 war er Bauzeichner in der Maschinenfabrik Am Tabor in Wien und publ. eine „Sammlung von Beispielen, Formeln, Aufgaben und Tabellen aus der Mathematik …“. Er konstruierte u. a. zwei Straßenkehrmaschinen, deren Pläne er 1853 – erfolglos – beim Wr. Magistrat einreichte. Zu weiteren Stud. zwecks Erlangung des Ing.diploms kam es ebensowenig wie zu der bereits zugesagten Mitwirkung an der Errichtung zweier großer Wr. Stadthäuser. Stattdessen debüt. S. 1853 in Vertretung seines Bruders Johann an der Spitze der S.-Kapelle und präsentierte bald darauf seine erste Tanzkomposition. Zur Absicherung seiner Karriere als Musikdir. stud. er i. d. F. Generalbaß und Kompositionslehre beim Musikschulbesitzer Franz Dolleschall sowie Violine bei Franz Amon. Zunächst gelegentl. Einspringer für seinen Bruder Johann, kam S. infolge von dessen Gastspielen in Pawlowsk (Sankt-Peterburg) ab 1856 regelmäßig zum Einsatz. Er richtete 1858 die Musik bei Sommerveranstaltungen des österr. K.hofs aus und trat bes. für Richard Wagner ein, aus dessen Oper „Tristan und Isolde“ er 1860 erstmals Fragmente zur Auff. brachte. 1862 führte S. in Pawlowsk die Sommersaison für den erkrankten Johann zu Ende. Ein Gastspiel in Breslau (Wrocław) 1864 blieb v. a. kommerziell erfolglos und vereitelte seine Pläne, sich von der Familie zu emanzipieren. 1869 trat er gem. mit Johann in Pawlowsk auf, 1870 übernahm er die Leitung der Sommerkonzerte im Warschauer Etablissement „Schweizerthal“. Während eines Konzerts brach S. zusammen und wurde als Sterbender nach Wien gebracht. S. ist als Komponist seinem Bruder Johann zumindest ebenbürtig; bei der Entwicklung des Konzertwalzers kommt ihm maßgebl. Bedeutung zu. Er war jedoch im Gegensatz zu seinen Brüdern ein höchstens mittelmäßiger Dirigent und entschieden schlechter Organisator, was seine Mißerfolge bedingte und ihn aus Sicht seiner Zeitgenossen v. a. hinter dem auch als Orchesterleiter bereits arrivierten Johann zurückstehen ließ.

W. (auch s. u. MGG; Weinmann; Schönherr; Mailer, 2002): rund 300 Tänze und Märsche für Orchester, u. a.: Perlen der Liebe, 1857, Moulinet-Polka, 1858, Dorfschwalben aus Österr., 1864, Transactionen, 1865, Delirien, 1867, Herbstrosen, 1867, Sphärenklänge, 1868, Eingesendet, 1868, Vélocipède, 1869, Mein Lebenslauf ist Lieb’ und Lust, 1869, Feuerfest!, 1869, Pizzicato-Polka, 1869 (gem. m. Johann S.), Die Emancipirte, 1870; ca. 500 Arrangements fremder Werke für Orchester (verschollen).
L.: Grove, 1980, 2001 (beide m. B.); MGG (m. B.); MGG, 2. Ausg., Personentl. 16, 2006 (m. W.); oeml; Renner, Nachlässe; Wurzbach; E. Strauss, „Erinnerungen“, 1906, passim; E. W. Engel, Johann S. und seine Zeit, 1911, passim; H. Jäger-Sunstenau, Johann S. …, 1965, s. Reg.; A. Weinmann, Verzeichnis sämtl. Werke von J. und Eduard S., 1967; M. Hürlimann, Die Walzer-Dynastie S. …, 1976, passim; F. Mailer, J. S., 1977; M. Schönherr, Lanner, Strauß, Ziehrer. Synopt. Hdb. der Tänze und Märsche, 1982; F. Mailer, Johann S. (Sohn). Leben und Werk in Briefen und Dokumenten 1-2, 1983–86, s. Reg.; N. Linke, Musik erobert die Welt …, 1987, passim; Die Fledermaus. Mitt. des Wr. Inst. für S.-Forschung 1ff., 1990ff.; P. Kemp, Die Familie S. …, 2. Aufl. 1991, s. Reg.; Wr. Bonbons, 1993ff.; Th. Aigner, Ausst. Johann S. in Rußland, Tutzing 1995, s. Reg. (Kat.); K. Bellak, Caroline S. in Hainfeld, 1995, passim (m. B. von Caroline und Karoline S.); F. Mailer, J. S. Kommentiertes Werkverzeichnis, 2002; O. Brusatti – I. Sommer, J. S., 2003 (m. B.); P. Kemp, in: Vienna Music. Journal of the Johann S. Society of Great Britain 93, 2007, S. 13ff.
(Th. Aigner)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 62, 2010), S. 380f.
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