Streicher, Johann Bapt. (1796–1871), Klavierbauer

Streicher Johann Bapt., Klavierbauer. Geb. Wien, 3. 1. 1796; gest. ebd., 28. 3. 1871; evang. AB. Enkel des Augsburger Klavier- und Orgelbauers Johann Andreas Stein (1728–1792), Sohn von Nan(n)ette und (Johann) Andreas S., Onkel von E. Pauer (alle s. d.), ab 1822 verehel. mit Auguste André (1802–1847), Tochter eines Komponisten und Musikverlegers, ab 1849 mit der Pianistin und Chopin-Schülerin Friederike Müller (1816–1895), Vater von Sophie, verehel. Schmid v. Schmidsfelden, und Emil S. (s. u.), Schwiegervater von mit J. K. M. Schmid v. Schmidsfelden, Großvater von Theodor S. (beide s. d.). – Von seinen Eltern auf die Übernahme des Familienunternehmens vorbereitet, bildete S. sich 1821–22 auf einer zweijährigen Stud.reise u. a. bei Sébastien Erard in Paris und bei John Broadwood & Sons in London weiter. Danach als Werkführer in der Wr. Fa. seiner Mutter tätig, erhielt er 1823 die Befugnis zum Klaviermacher mit „Privileg auf oberschlägige Mechanik“. Ab 1824 hieß die Fa. S. Anna & Sohn. 1831 führte er eine verbesserte Stoßzungenmechanik ein und 1836 Eisenspreizungen an Stelle der unvollkommenen Holzverstrebungen. Die S.schen Instrumente zeichneten sich durch einen zarten, aber auch vollen, starken Ton sowie durch gute Klangdauer aus. Nach dem Tod der Eltern 1833 übernahm S., der mittlerweile das Bürger- sowie Meisterrecht erhalten hatte, das Unternehmen, das er unter seinem Namen weiterführte. 1837 zog er in den „Neuen Streicherhof“ in die Vorstadt Landstraße (Wien 3), wo er als Ersatz für den Salon S. im Alten S.hof einen kleinen Konzertsaal mit knapp 200 Sitzen errichtete. Neben Clara und Robert Schumann, Brahms und F. v. Liszt (beide s. d.) konzertierten hier auch Frédéric Chopin oder Jenny Lind. S.s Fabrikate wurden auf den Ind.ausst. 1835 und 1839, auf den Weltausst. in London 1851 und 1862 sowie in Paris 1867 ausgez. 1839 k. k. Hof- und Kammer-Pianoforte-Verfertiger. 1845 war S. Mitgl. der Hofkomm. und damit mit der Beurteilung der Musikinstrumente für die Wr. Ausst. betraut; 1851 Ber.erstatter der ersten Londoner Weltausst. und 1862 Mitgl. des Zentralkomitees der zweiten Londoner Weltausst. Er war ferner Mitbegründer des nö. Gewerbever. und mehrmals dessen Vizepräs., Kammerrat der Wr. HK, 1860 Kammerlieferant, 1863 Ritter des Franz Joseph-Ordens. Sein Sohn Emil S. (geb. Wien, 24. 4. 1836; gest. ebd., 9. 1. 1916; evang. AB), der 1873 Ernestine, Tochter A. v. Le Monniers (s. d.), heiratete, trat 1857 in das Unternehmen als Ges. ein und führte es bis 1896 weiter. Danach wurde es von den Söhnen Anton Stingls (s. d.) übernommen. 1873 wurde Emil S. Ritter des Franz Joseph-Ordens.

L. (tw. auch zu Emil S.): Allg. musikal. Ztg. 33, 1833, Sp. 373ff.; NFP, WZ, 31. 3. 1871; NFP, 12. 1. 1916; Czeike; MGG; oeml; Renner, Nachlässe; Wurzbach; Th. Bolte, Die Musikerfamilien Stein und S., 1917, S. 34ff. (m. B.); Gedenkbuch der Familie Schmid v. Schmidsfelden, ed. W. Schmid v. Schmidsfelden, 2. Aufl. 1939, S. 110ff.; F. J. Hirt, Meisterwerke des Klavierbaus, 1955, S. 103, 109, 113, 340f., 458ff.; W. Szmolyan, in: Österr. Musikz. 27, 1972, S. 85f.; U. Goebl-Streicher, in: Wr. Geschichtsbll. 48, 1993, S. 32ff.; „Diesem Menschen hätte ich mein ganzes Leben widmen mögen“. Beethoven und die Wr. Klavierbauer Nannette und Andreas S., ed. U. Goebl-Streicher u. a., Bonn 1999 (Kat., m. B.); Evang. Pauluskirche, Luther. Stadtkirche Wien, WStLA, alle Wien.
(I. Nawrocka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 13 (Lfg. 62, 2010), S. 388
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