Szinyei Merse, Pál; nannte sich im Ausland ab 1864 Paul v. Szinyey, ab 1896 Paul Merse v. Szinyei (1845–1920), Maler

Szinyei Merse Pál, nannte sich im Ausland ab 1864 Paul v. Szinyey, ab 1896 Paul Merse v. Szinyei, Maler. Geb. Szinyeújfalu, Ungarn (Chminianska Nová Ves, SK), 4. 7. 1845; gest. Jarovnice, ČSR (SK), 2. 2. 1920; röm.-kath. Sohn des Gutsbesitzers und Abg. Félix S., Obergespan des Kom. Sáros. – Nach dem Besuch der Schulen in Eperies (Prešov) und Großwardein (Oradea) begann S. 1864 ein Stud. an der Münchener ABK u. a. bei Karl Piloty. Hier freundete er sich mit →Hans Makart, →Gabriel Cornelius v. Max sowie Gyula Benczúr an und gehörte zum Kreis um Wilhelm Leibl. Mit seinen alltägl., die Spontanität des Moments ausdrückenden figuralen Kompositionen sowie seinen luftigen Landschaftsausschnitten unterschied er sich völlig von den hist. Kompositionen seiner Zeitgenossen. Die in seiner Arbeit „Badehütte mit Knaben“ (1868) vorherrschende perlmutterne Tonigkeit wurde in den folgenden Studien durch einen sonnigen Kolorismus abgelöst. Mit dem Mut zur frischen, unmittelbaren Wiedergabe opt. Erlebnisse und zu starken, ungebrochenen Farben entdeckte S. die bildgestaltende Rolle der Komplementär- und Kontrastwirkung („Mutter mit Kindern“, 1868–69). Mit seinen Skizzen „Schaukel“ und „Wäschetrocknen“, 1869, frühen ung. und mitteleurop. Beispielen der einheitl. Anschauungsweise des Impressionismus, fand er auf der 1. internationalen Kunstausst. in München 1869 endl. die Bestätigung seiner bisherigen Bestrebungen. Auf Anregung Leibls plante S. i. d. F. eine Reise nach Paris, musste aber wegen Ausbruchs des dt.-französ. Krieges 1870 in sein Heimatdorf zurückkehren; erst 1908 absolv. er seinen einzigen Parisaufenthalt. 1872 hielt er sich wieder in München auf und wurde durch seinen damaligen Ateliernachbarn Arnold Böcklin zur Steigerung der Farbenkraft und zum lasurartigen Gebrauch der Ölfarben ermuntert. Hier entstand sein Hauptwerk „Picknick im Freien“ („Maifest“), das zwar in München und auf der Wr. Weltausst. (1873) beim Publikum auf Unverständnis traf, jedoch in seiner Münchner Umgebung mehrere zwischen 1873 und 1875 entstandene Gemälde von Fritz Schieder, Albert Lang, Gyula Benczúr und Sándor Liezen-Mayer beeinflusste. 1883 erhielt das Werk sowohl im Wr. Künstlerhaus als auch bei Münchner und Budapester Ausst. schlechte Kritiken; erst 1896 wurde der Wert des Bildes auf der Millenniumsausst. in Budapest erkannt und gewürdigt. 1873 siedelte sich S. in Jernye an und bewies i. d. F. durch einige impressionist. Entwürfe und Familienporträts von intimer Schönheit sowie das originelle „Ballon“-Bild (1878), dass er zu einem künstler. Neubeginn fähig war. 1882 übersiedelte S. für ein Jahr nach Wien, doch erfüllten sich die daran geknüpften hohen Erwartungen nicht, da seine Arbeit, bedingt durch die Dominanz der Makart’schen Richtung, nicht akzeptiert wurde. S. zog sich wieder in die Einsamkeit seines Dorfs zurück und malte Naturstudien sowie die „Schneeschmelze“ (1884, vollendet 1895) in puritan.-einfachem Realismus. Da er keine künstler. Kompromisse eingehen wollte, unterbrach er für ein Jahrzehnt seine Maltätigkeit. Seine letzte, 1894 beginnende Schaffensperiode war hauptsächl. realist.-naturalist. Landschaften gewidmet. Erst 1896 begann man sein Werk anzuerkennen und ab diesem Zeitpunkt betätigte er sich wieder aktiv am künstler. Leben. Als Abg. (1897–1901) trat er im Parlament für die Reform der Künstlerausbildung ein und setzte diese Bestrebungen 1905 als Dir. der Budapester Musterzeichenschule (seit 1908 Hochschule für Bildende Künste) fort. S. erhielt zahlreiche Medaillen und Preise, u. a. auf der Pariser Weltausst. (1900), in München (1901), in Saint Louis (1904) sowie Berlin (1910), und war 1908 Mitbegründer des Kreises Ung. Impressionisten und Naturalisten. 1912 wurde er mit dem Kleinkreuz des St. Stephans-Ordens, 1916 mit dem Ehrenzeichen für Kunst und Wiss. ausgez. Die bedeutendste Smlg. seiner Werke befindet sich in der Budapester Magyar Nemzeti Galéria sowie in Privatbesitz. Kurz nach seinem Tod wurde die Szinyei-Merse-Pál-Ges. gegr., die in der Zwischenkriegszeit zu den wichtigsten Faktoren im künstler. Leben Ungarns zählte.

Weitere W.: s. Szinyei Merse, 1990.
L.: Thieme–Becker; Wurzbach; B. Lázár, P. Merse v. S. Ein Vorläufer der Pleinairmalerei, 1911 (m. B.); S. Meller, S. P. élete és művei, 1935; A. Szinyei Merse, S. P. élete és művészete, Budapest 1990 (Kat., m. B., W. u. L.); Pleinair-Malerei in Ungarn, ed. A. Szinyei Merse, Osnabrück 1994, passim (Kat.); The Dictionary of Art 30, 1996; Alla ricerca del colore e della luce, ed. A. Szinyei Merse, Firenze 2002, S. 19ff., 94ff. (Kat.); Az impresszionizmus sodrában …, ed. dies., Budapest 2009, S. 18ff. (Kat.).
(A. Szinyei Merse)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 161f.
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