Tadra Ferdinand, Historiker und Bibliothekar. Geb. Neuhaus, Böhmen (Jindřichův Hradec, CZ), 19. 1. 1844; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 19. 3. 1910. Sohn des Kapellmeisters František T. – T. besuchte das Gymn. in seiner Geburtsstadt und hörte an der Univ. Prag 1861–65 u. a. Vorlesungen aus Bohemistik und Geschichte bei →Anton Gindely, →Karl Adolf Constantin v. Höfler, Jan Erazím Vocel und Wenzel Wladiwoj Tomek. Nach Ablegung der Staatsprüfung supplierte er einige Zeit am Prager Akadem. Gymn. und wirkte 1870–1909 an der Prager Univ.bibl. (1870 Amanuensis, 1873 Skriptor, 1898 Kustos). T. betrieb umfangreiche Archivstud., zunächst im Böhm. Landesarchiv, später in Dresden (1868), im Vatikan (1887–88 gem. mit →František Mareš), in Berlin (1892) etc. Im Rahmen seines umfangreichen editor. Schaffens veröff. T. u. a. in den Fachz. „Archiv für österreichische Geschichte“, „Časopis českého musea“, „Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung“, „Věstník České akademie císaře Františka Josefa pro vědy, slovesnost a umění“ sowie „Věstník Královské české společnosti nauk“ mehrere Formelbücher aus der Kanzlei der Luxemburger sowie Quellen zur Geschichte der Kirchenverwaltung in Böhmen. Weiters schrieb er Biographien über den Hofkanzler Johannes v. Neumarkt (Jan ze Středy) und den Gelehrten Adalbertus Ranconis de Ericinio (Vojtěch Raňkův z Ježova). Den damaligen Kenntnisstand über die kulturellen Auslandsbeziehungen Böhmens im Mittelalter fasste er in seiner Monographie „Kulturní styky Čech s cizinou až do válek husitských“ (1897) zusammen, die jedoch von der jüngeren Historikergeneration kritisiert wurde. Zahlreiche kulturwiss. Beitrr. und Rezensionen T.s erschienen in Periodika wie „Blahověst“, „Dalibor“, „Hlas národa“, „Politik“ und „Světozor“. Sein bes. Interesse galt der Organisation des Chorwesens. Er gehörte ab 1861 dem Prager Gesangver. Hlahol an, dessen Obmann er 1903 wurde, und nahm aktiv Anteil an der Wiederbelebung der Jednota zpěváckých spolků českoslovanských (Union tschechoslaw. Gesangsver.) sowie der Entstehung der Sängergmd. Pěvecká obec česká. Ab 1885 war er ao. Mitgl. der Kgl. Böhm. Ges. der Wiss., ab 1895 ao. Mitgl. der Böhm. K. Franz Joseph-Akad. der Wiss., Literatur und Kunst I. Kl.