Taub, Siegfried (Vítězslav) (1876–1946), Politiker und Beamter

Taub Siegfried (Vítězslav), Politiker und Beamter. Geb. Teltsch, Mähren (Telč, CZ), 11. 1. 1876; gest. New York, NY (USA), 30. 4. 1946; mos. Vater des Schauspielers, Regisseurs und Journalisten Walter (Valtr) T. (geb. Brünn, Mähren / Brno, CZ, 18. 6. 1907; gest. Wien, 30. 9. 1982). – Nach Besuch des Realgymn. in Teltsch 1886–90 war der bilingual aufgewachsene T. als Kaufmann in Iglau (Jihlava), Jungbunzlau (Mladá Boleslav) und Klagenfurt angestellt. Früh engagierte er sich in der Gewerkschaft der Handlungsgehilfen sowie in der Sozialdemokratie und kämpfte für den Ausbau der Sozialversicherung. Ab 1902 arbeitete T. für die Brünner Bez.krankenkasse, der er 1911–25 als Dir. vorstand. Ab 1909 Mitgl. der Landesparteivertretung für Mähren, war er 1911–17 auch Stadtverordneter von Brünn. 1920–38 vertrat er als Abg. die Dt. Sozialdemokrat. Arbeiterpartei (DSAP) in der tschechoslowak. Nationalversmlg. und war bis 1925 Sekr. des Parlamentspräs. Der hervorragende und gut vernetzte Organisator, engagierte Sozialpolitiker und enge Mitarb. des Parteiführers Ludwig Czech war ab 1921 Mitgl. der Parteikontrollkomm. und gab 1922–26 die Parteiz. „Soziale Rundschau“ heraus. Obwohl dem linken, marxist. Flügel angehörend, unterstützte T. stets mit großer Loyalität den jeweiligen Parteiführer. 1925 übersiedelte er nach Prag, um bis März 1939 als Zentralsekr. die Geschäfte der DSAP zu leiten. 1927–38 gehörte er dem DSAP-Vorstand, 1930–38 der Exekutive der Sozialist. Arbeiter-Internationale sowie 1932–38 dem DSAP-Reichserziehungsbeirat an. Daneben war er Hrsg. des zentralen Parteiorgans „Der Sozialdemokrat“ sowie der Journale „Tribüne“ und ab 1934 „Der Kampf“. T. plädierte für eine Zusammenarbeit mit den tschechoslowak. Sozialdemokraten und war 1928 am Zustandekommen des ersten Kongresses aller sozialdemokrat. Parteien im tschechoslowak. Staat beteiligt. Im Prager Parlament war er 1929–38 Vizepräs. und erregte als Vertreter des „Aktivismus“ große Aufmerksamkeit, als er 1931 erstmals als dt. Berichterstatter auftrat und tschech. referierte. Hauptberufl. war T. 1926–39 Vizepräs. der Zentralen Sozialversicherungsanstalt in Prag. Ab 1933 unterstützte er dt. und österr. polit. Emigranten in der Tschechoslowakei, leitete die Sozialdemokrat. Flüchtlingsfürsorge in Prag und trug dazu bei, dass die tschechoslowak. Regierung ihre liberale Asylpolitik auch in der administrativen Praxis umsetzte und der exilierten SPD Handlungsfreiheit gewährte. 1938/39 leitete er zudem die Emigrationszentrale Prag. Der Verfolgung durch die Gestapo entging er Mitte März 1939 durch seine Flucht nach Schweden. In Stockholm baute er die Treuegemeinschaft sudetendt. Sozialdemokraten als Exilorganisation der DSAP auf, deren Vors. er 1939 gem. mit Wenzel Jaksch wurde. 1939/40 noch als dt. Vizepräs. des tschechoslowak. Staatsrats im Exil im Gespräch, verlor er aufgrund seiner internationalen Ausrichtung allmähl. seine Bedeutung als einer der wichtigsten Exilpolitiker seiner Partei. Nach der Übersiedlung in die USA im Mai 1941 unternahm er, unterstützt von der Jüd. Arbeiterpartei und der tschechoslowak. Exilregierung in London, Vortragsreisen bis nach Kanada, um Auslandstschechen für eine Kooperation mit linken Sudetendeutschen zu gewinnen. Bereits erkrankt, bereitete er 1946 von New York aus seine Rückkehr nach Prag vor.

L.: Hdb. der Emigration 1; E. Paul, in: Sudeten-Jb. der Seliger-Gmd., (1955), S. 21ff. (m. B.); M. K. Bachstein, W. Jaksch und die sudetendt. Sozialdemokratie, 1974, s. Reg.; Menschen im Exil, 1974, s. Reg.; F. G. Kürbisch, Chronik der sudetendt. Sozialdemokratie 1863–1938, 1982, s. Reg.; M. K. Bachstein, in: Bohemia 28, 1987, S. 369ff.; M. O. Balling, Von Reval bis Bukarest 1, 1991, S. 401; T. Weiser, Arbeiterführer in der Tschechoslowakei, 1998, s. Reg.; F. Kolář u. a., Politická elita meziválečného Československa 1918–38, 1998, S. 267f. (m. B.); J. Kracik, Die Politik des dt. Aktivismus in der Tschechoslowakei 1920–38, 1999, s. Reg.; J. Tomeš, Průkopníci a pokračovatelé, 2004, S. 130 (m. B.); D. Brandes, Der Weg zur Vertreibung 1938–45, 2. Aufl., 2005, s. Reg.; L. Fasora, Svobodný občan ve svobodné obci?, 2007, S. 335 (m. B. S. 375); J. Tomeš u. a., Tváře našich parlamentů, 2012, S. 478ff. (m. B.).
(R. Luft)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 206f.
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