Tautenhayn, Josef d. Ä. (1837–1911), Bildhauer und Medailleur

Tautenhayn Josef d. Ä., Bildhauer und Medailleur. Geb. Wieden, NÖ (Wien), 5. 5. 1837; gest. Wien, 1. 4. 1911 (Ehrengrab: Wr. Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn des Stempelschneiders, Kupferstechers und Graveurs Carl Hermann (Hermann Carl) T. (geb. Adorf im Vogtland, Sachsen / D, 3. 11. 1810; gest. Wien, 19. 7. 1885), der um 1830 nach Wien gekommen war und hier einen Betrieb eröffnete (von ihm stammen u. a. die frühen österr. Briefmarken), Bruder des Graveurs Rudolf T. (1834–1904), der den väterl. Betrieb weiterführte, Vater von →Richard T., des Bildhauers und Medailleurs Josef T. d. J. (geb. Speising, NÖ/Wien, 22. 9. 1868; gest. Wien, 8. 2. 1962; röm.-kath.), mit dem er in der Literatur manchmal verwechselt wird, von Karl T. und Ernst T. (beide s. u. Richard T.), des Liedersängers und Beamten Max T. (geb. Wien, 11. 10. 1874; gest. ebd., 24. 12. 1959) sowie der Opernsängerin Laura T., verehel. Kledus (geb. Wien, 1. 5. 1870; gest. ebd., 22. 10. 1927), Schwager von →Karl Kundmann; ab 1862 verehel. mit Eleonore v. Duzinkiewicz (geb. Tarnów, Galizien / PL, 7. 2. 1839; gest. Wien, 20. 1. 1932). – T. besuchte ab 1850 die Elementarzeichenschule bei St. Anna, wechselte 1851 an die ABK in die Elementarmodellierschule, wo →Karl Radnitzky sein Lehrer wurde, und stud. 1853–59 Bildhauerei unter →Franz Bauer; 1874 Reichel-Preis. T. war zeitweise gem. mit Kundmann im Atelier des Bildhauers Josef Cesar tätig und modellierte außerdem kleinplast. Figuren für die Fa. Mayerhofer & Klinkosch. Daneben lernte er privat das Gravieren, das wirtschaftl. bessere Aussichten versprach. 1859 scheiterte T.s Bemühung um eine Eleven- und Stipendiatenstelle an der Graveurakad. am Hauptmünzamt, worauf er versuchte, in Dresden bei Ernst Julius Hähnel unterzukommen. Erst 1860 gelang ihm der Eintritt in die Wr. Graveurakad., wo →Josef Daniel Böhm Einfluss auf ihn nahm und er 1862 Münz-Graveur, 1868 Münz- und Medaillengraveur wurde. Im selben Jahr unternahm er mit →Karl Costenoble und Anton Paul Wagner eine Italienreise, 1869 fuhr er mit Kundmann erneut nach Italien und wurde im selben Jahr Kammer-Medailleur. 1871 besuchte er mit →Anton Scharff Paris und London. 1881–1904 o. Prof. und Leiter der Spezialschule für Graveur- und Medailleurskunst an der ABK (zu seinen Schülern gehörten u. a. Rudolf Marschall, →Franz Pawlik und Josef T. d. J.). T. hatte wesentl. Anteil an der Blüte der Medaillenkunst in der franzisko-josephin. Ära. Der 1878 durch →Josef Carl v. Klinkosch in Silber gegossene Kentauren-und-Lapithen-Schild (Kunsthist. Mus., Modell im Hauptmünzamt, beide Wien), den T. für den K.hof schuf, verschaffte ihm auch großplast. Aufträge, v. a. den 1880 begonnenen Giebel des Univ.gebäudes („Die Geburt der Minerva“) und die zugehörigen Bekrönungsfiguren. In dieser Zeit entstanden daneben vier Statuen für den Herrenhaustrakt des Parlaments, denen 1902 die Figuren der „Gesetzgebenden und Ausübenden Gewalt“ des Minerva-Brunnens folgten. Für das Kunsthist. Mus. übernahm T. als Spezialist der Manier all’antica und Cesar-Schüler 1878 vier ursprüngl. diesem zugedachte Standbilder griech. und röm. Künstler sowie diverse Porträtköpfe. In k. Auftrag entstanden noch eine Fruchtschale in Silber (1888, ziseliert von →Stefan Schwartz), die Kassette „Die Zeit“ in Silber und Elfenbein sowie das Relief „Herakles im Kampf mit den Amazonen“; weiters lieferte er mehrere Glasschliff-Entwürfe für die Fa. Lobmeyr. T., der mehr als 80 Medaillen (tw. in Zusammenarbeit mit Scharff) fertigte, blieb im staatl. Münzwesen dank seiner zwischen stilisierender Repräsentation und realist. Figurenauffassung ausgleichenden Stilhaltung lange Zeit bestimmend. Seine Werke vereinen klassizist. Typol. mit barock angehauchtem Körpergefühl, im Großformat zeigen sie auch betonte Räumlichkeit. 1861–63 und wieder ab 1869 war er Mitgl. der Genossenschaft der bildenden Künstler Wiens (Künstlerhaus), ab 1874 Ehrenmitgl. der Wr. ABK. 1873 Ritter des Franz Joseph-Ordens, erhielt er 1904 den Orden der Eisernen Krone III. Kl. Größere Bestände seiner Arbeiten bewahren das Kunsthist. Mus. und das Hauptmünzamt, beide in Wien.

Weitere W.: s. Thieme–Becker; Domanig.
L.: NFP, WZ, 2. 4. 1911; Czeike; Die Wr. Ringstraße 1–2, 4, 8, 9/1, 9/3; Eisenberg 1; Thieme–Becker (m. tw. W. u. L.); Wurzbach; K. Domanig, J. T. d. Ä. …, 1905 (m. B. u. tw. W.); E. Finke, Die T.s, 1965; W. Wagner, Die Geschichte der ABK in Wien, 1967, s. Reg.; M. Poch-Kalous, in: Geschichte der bildenden Kunst in Wien, Plastik in Wien, 1970, S. 219, 230f.; Die Kunstdenkmäler Wiens. Die Profanbauten des III., IV. und V. Bez., bearb. G. Hajós – E. Vancsa (= Österr. Kunsttopographie 44), 1980, S. 190, 193f.; K. Schulz, in: B. Koch, Die Wr. Münze, 1989, S. 195ff.; W. Kitlitschka, in: Der Traum vom Glück 1, ed. H. Fillitz, 1996, S. 261ff.; L. Hölbling, Medaillen der Wiss., 1998, S. 162; I. Krumpöck, Die Bildwerke im Heeresgeschichtl. Mus., 2004, S. 174; ABK, Wien.
(W. Krause)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 64, 2013), S. 222f.
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