Tennenbaum, Ludwig (1862–1928), Industrieller

Tennenbaum Ludwig, Industrieller. Geb. Wien, 3. 9. 1862; gest. ebd., 11. 2. 1928; röm.-kath., später evang. AB. Sohn von Carl T., der als Beamter in Graz und später als Notar in Wien tätig war, und seiner Frau Michaela T., geb. Harum; ab 1902 mit Hedwig T. (1875–1939), Tochter des Ofenfabrikanten und Hoflieferanten Hermann Heim, verheiratet. – T. besuchte die Realschule, stud. 1879/80 an der TH Chemie und hörte daneben jurid. und nationalökonom. Vorlesungen an der Univ. Wien. Nach einem kurzen Volontariat bei der Trumau-Marienthaler Spinnerei berief ihn →Vinzenz v. Miller zu Aichholz 1883 in die Neusiedler AG für Papierfabrikation, in deren Fabriken in Klein-Neusiedl und Petersdorf (Petrești) er sich die techn. Kenntnisse der Papiererzeugung aneignete. Ab 1887 überwachte er als Zentral-Fabriksinsp. den techn. Betrieb sämtl. Papierfabriken und Nebenwerke der Neusiedler AG, 1906 wurde er Gen.dir. des Unternehmens, dessen Entwicklung zum Konzern er i. d. F. entscheidend mitgestaltete. Unter seiner Leitung gelangten 1908 die Papierfabriken Schlöglmühl und Stuppach sowie die Natronzellulosefabrik Stuppach in den Besitz der Neusiedler AG. Die 1909 durch Brand zerstörte Schlöglmühler Fabrik konnte rasch wiederaufgebaut, mit modernsten Maschinen ausgestattet und schon 1910 erneut in Betrieb genommen werden. Durch den Ankauf der Zellstofffabrik Josefihütte von J. Halbmayr & Co. bei Marienbad (Marianské Lázně) 1911 und die Eingliederung der Feinpapierfabrik Pilsen (Plzeň) 1912 erfolgte der weitere Ausbau der Ges. Das Aktienkapital betrug nun insgesamt 9 Mio. Kronen, exportiert wurde nach Belgien, Holland, in die Schweiz, in die Türkei, nach Griechenland, Südosteuropa und Südamerika. Für Ungarn wurde eine eigene Handelsges. geschaffen, Filialen in Prag, Budapest, Lemberg (L’viv) und Agram (Zagreb) existierten bereits. Noch während des 1. Weltkriegs gingen die Anteile der Theresienthaler Papierfabrik von Ellissen, Roeder & Co. A. G. an die Neusiedler AG über (mit Fabriken in Hausmening, Papier- und Zellulosefabrik in Hilm-Kematen). 1920 wurden die Holzpappenfabrik Schütt bei Waidhofen an der Ybbs sowie die Hirschwanger Holzschleiferei und Holzstoffwarenfabrik Schoeller & Co. angekauft. Die nach dem Zerfall der Monarchie in der Tschechoslowakei befindl. Fabriken Pilsen, Josefihütte und Rattimau wurden in die Prager Neusiedler Vereinigte Papier-, Zellulose- und Holzstoff-Fabriken A. G., die Papierfabrik im rumän. Petersdorf in die Fabrica de Hârtie Petrifalau Societate Anonimă Română umgewandelt. KR T. war ab 1920 Präs. des Verbands der österr. Papier-, Zellulose-, Holzstoff- und Pappenfabrikanten und ab 1927 Ehrenpräs. des Arbeitgeberverbands der österr. Papier-, Zellulose-, Holzstoff- und Pappenind. Eine Ausz. durch Bgm. →Karl Lueger soll T. mit der Begründung, vor einem Antisemiten nicht sein Knie beugen zu wollen, ausgeschlagen haben.

L.: NWT, 11. 2. (A.), NFP, 14., 18. 2. (m. Parten), Prager Tagbl., 14. 2., AZ, 17. 2. 1928 (Parten); F. Krawany, Geschichte der Papierind. der ehemaligen österr.-ung. Monarchie, 1923, S. 49; Aus der Geschichte der Neusiedler AG für Papierfabrikation, 1953, S. 33, 35, 44, 47 (m. B.); TU, Wien; Mitt. Johannes Heidecker, Praha, CZ.
(E. Offenthaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 249f.
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