Thaller, Willi (Wilhelm) (1854–1941), Schauspieler und Sänger

Thaller Willi (Wilhelm), Schauspieler und Sänger. Geb. Graz (Stmk.), 17. 8. 1854; gest. Wien, 7. 4. 1941 (Ehrengrab: Wr. Zentralfriedhof). Ältestes von sechs Kindern. Sohn von Wilhelm Alois T. und Therese T., geb. Wiligut, Bruder von →Kathi T., Mitzi T. und Marianne T.; verheiratet mit Maria Reichsfreiin Schirndinger v. Schirnding, die wegen der Heirat mit T. von ihrer Familie verstoßen wurde. – T. sollte den Beruf eines Buchbinders erlernen, brannte jedoch, nachdem er schon als Kind am Grazer Stadttheater aufgetreten war, zur Bühne durch und schloss sich in Bruck an der Mur einer Theatertruppe an. Fast zehn Jahre lang trat er als Wanderschauspieler auf diversen Bühnen der österr.-ung. Monarchie auf, bis er 1878 ein Engagement an das Stadttheater in Graz erhielt, wo er erste kom. Rollen und humorist. Väter verkörperte. Von dort holte ihn →Franz Tewele 1881, zunächst als Gast für seinen Nestroy-Zyklus, an das Carltheater nach Wien. Als Ersatz für →Josef Matras spielte T. etwa den Weigelt in Adolph L’Arronges „Mein Leopold“ und gastierte mit dem Ensemble auch in Dtld., u. a. 1881 am Hamburger Stadttheater als Boccaccio in →Franz v. Suppés gleichnamiger Operette. 1883 ging T. mit →Marie Geistinger in die USA und trat in New York, Chicago, Philadelphia, Cincinnati, St. Louis und Milwaukee mit großem Erfolg in Operetten und Possen auf. 1884 wirkte er am Dt. Theater in Budapest und ab 1885 am Dt. Landestheater in Prag unter →Angelo Neumann, wo er als Komiker, Bonvivant und Charakterdarsteller große Vielseitigkeit entwickelte und häufig als Regisseur für Possen und Operetten eingesetzt wurde. In Wien brillierte er ab 1898 am Raimundtheater v. a. als Nestroy-Darsteller, aber auch in Komödien anderer österr. Autoren, bevor er 1900 an das Dt. Volkstheater, 1902 für kurze Zeit an das Theater an der Wien wechselte. Nach neuerl. Tätigkeit am Raimundtheater 1903–05 feierte er in Berlin Erfolge bei den von →Sigmund Lautenburg veranstalteten Anzengruber-Spielen am Dt. Theater und erhielt im Herbst 1905 ein Engagement am Kleinen Theater Unter den Linden. Unter Conried (→Heinrich Cohn) spielte er 1906–07 am Irving Place Theatre in New York. Danach trat er, teils fest engag., teils als Gast, abwechselnd an Wr. Bühnen (Dt. Volkstheater, Carltheater, Theater in der Josefstadt, Theater an der Wien, Neues Wr. Stadttheater, Raimundtheater), am Münchner Volkstheater sowie in Böhmen und Mähren auf. 1924 wurde er Ensemblemitgl., 1934 Ehrenmitgl. des Burgtheaters, an dem er Anfang 1940 seine letzte Vorstellung gab. T. war einer der hervorragendsten Volksschauspieler Österr., dessen Darstellungskunst oft mit der →Johann Nestroys verglichen wurde. Er zählte zu den markantesten Theaterpersönlichkeiten seiner Zeit. Gem. mit Maria Mayen, Maria Mayer und Raoul Aslan erhielt er 1926 als Erster den Titel Kammerschauspieler.

Weitere Rollen: Rappelkopf (F. Raimund, Der Alpenkönig und der Menschenfeind); Fortunatus Wurzel (ders., Der Bauer als Millionär); Weinberl (J. Nestroy, Einen Jux will er sich machen); Zwirn (ders., Der böse Geist Lumpazivagabundus); Steinklopferhanns (L. Anzengruber, Die Kreuzelschreiber); Bauer Rott (K. Schönherr, Glaube und Heimat); Grutz (ders., Erde); Voigt (C. Zuckmayer, Der Hauptmann von Köpenick); etc. – Operettenrollen: Ollendorf (C. Millöcker, Der Bettelstudent); Frosch (J. Strauß, Die Fledermaus); etc. – Filmrollen in: Mutter Sorge, 1915; Seine Hoheit, der Eintänzer, 1927.
L.: 6 Uhr Abendbl. (Prag), 12. 5. 1914; Volks-Ztg., 1. 1. 1924; Wr. Neueste Nachrichten, 28. 2. 1926; Kleine Ztg. (Graz), Neues Österr., 15., Salzburger Volksbl., Südost-Tagespost, Wr. Kurier, 17. 8. 1954; Alth, Burgtheater, s. Reg.Bd.; Czeike; Eisenberg, Bühne; Jb. der Wr. Ges.; Kosch, Theaterlex.; Kutsch–Riemens; Weltguck, 1934, Nr. 42, S. 12 (m. B.); Jb. der Ges. für Wr. Theaterforschung 1945/46, 1946, S. 7ff. (m. B.); O. M. Fontana, Wr. Schauspieler …, 1948, s. Reg. (m. B.); R. Holzer, Die Wr. Vorstadtbühnen, 1951, S. 453f.; H. Razinger, W. T., phil. Diss. Wien, 1961 (m. B.); E. Klee, Das Kulturlex. zum Dritten Reich, 2007.
(E. Lebensaft – E. Offenthaler)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 281f.
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