Thöny, Wilhelm (1888–1949), Maler, Graphiker und Illustrator

Thöny Wilhelm, Maler, Graphiker und Illustrator. Geb. Graz (Stmk.), 10. 2. 1888; gest. New York, NY (USA), 1. 5. 1949; röm.-kath. Sohn des Papiergroßhändlers Wilhelm T. (1851–1917) und von Rosalia T. (1859–1921), Bruder des Sängers Herbert T. (1896–1973); in 1. Ehe 1915 bis vermutl. 1926 verheiratet mit Fanny Hilma Valborg White (1893–1959), in 2. Ehe ab 1938 mit Thea Herrmann-Trautner (1897–1980), der Tochter des Malers Frank S. Herrmann. – Nach der Matura an der Staatsrealschule (1907) erhielt T., der ursprüngl. eine Sängerkarriere anstrebte, Privatunterricht bei →Anton Marussig. Ab 1908 stud. er an der ABK in München bei Gabriel v. Hackl und Angelo Jank und stellte seine Arbeiten 1914 in der Münchener Neuen Secession aus. 1915 in Graz als Einjährig-Freiwilliger eingezogen (1917 Lt. der Res.), wurde er i. d. F. als Kriegsmaler eingesetzt. Ende 1918 kehrte T. vorerst nach München zurück, übersiedelte dann aber mit seiner Familie in die Schweiz und 1923 nach Graz. Dort gründete er gem. mit anderen Künstlern die Grazer Sezession (ab 1923 deren Präs., 1934 Ehrenpräs.). Ab 1931 hielt er sich in Frankreich (V. a. in Paris) auf, Ende 1938 verließ er mit seiner Frau Europa, um in New York eine neue Existenz zu gründen. Nachdem sich in Amerika der lang erhoffte internationale Erfolg eingestellt hatte (1942 schloss er einen Vertrag mit der Galerie Knoedler), vernichtete jedoch Anfang 1948 ein Brand in einem Lagerhaus Hunderte seiner für Ausst. vorbereiteten Arbeiten. T. hatte seine erste künstler. Anerkennung als Illustrator gefunden: So beschäftigten ihn die Verleger Georg Müller in München (Balzac, „Dunkle Geschichten“) sowie Kurt Wolff in Leipzig (Dostojewski, „Das junge Weib“) und der Verlag Morawe & Scheffelt in Berlin (Lessing, „Emilia Galotti“, Klassiker-Luxusdrucke); in weiteren Zyklen befasste er sich u. a. mit Bachs Matthäus-Passion und Mozarts „Don Giovanni“. Bes. hervorzuheben sind auch die in spontan wirkender impressionist. Manier ausgeführten Landschafts- und Figurenbilder („Traumfiguren“). Zu den wichtigsten Werken zählen u. a. „Die Brücke“, um 1925, „Schulhof“, 1926, und „Paris, Île de la Cité“, 1929/30. Alfred Kubin, der ebenfalls an der Münchner ABK stud. hatte, blieb T. lebenslang freundschaftl. verbunden. Die düstere Gestimmtheit und das auf dunkle, verhaltene Farbtöne angelegte Kolorit seiner Gemälde aus der Zwischenkriegszeit weisen engere Beziehungen zu den Bildwelten Kubins auf. Wie dieser thematisierte er in seinen Grazer Ansichten v. a. ein Grundgefühl des Unheiml. und Bedrohl. Die Reise nach Frankreich 1931 erschloss T. eine völlig neue künstler. Welt: Paris, die Provence und die Côte d’Azur boten die Inspirationen für zahlreiche, nunmehr wesentl. leichter und heller erscheinende Werke, deren aquarellartige, impressionist. Malweise mitunter an die Kunst Raoul Dufys erinnert. Die im Laufe seines Schaffens beobachtbare Aufhellung der Ölgemälde scheint sich in Wechselwirkung mit T.s souveräner Aquarellkunst entwickelt zu haben. Ungeachtet aller maler. Leichtigkeit blieb er in den nunmehr entstandenen Landschafts-, Hafen- und Städtebildern ein nach innen gekehrter, die Welt ebenso sensibel wie distanziert wahrnehmender Beobachter. Zu den frühen Höhepunkten in seinem Schaffen gehörten die ab 1932 entstandenen 30 subtilen Rötelzeichnungen zur Thematik der Französ. Revolution, angeregt durch Thomas Carlyles Buch „The French Revolution“. Den zu Beginn der 1920er-Jahre entstandenen „Beethoven-Zyklus“ erachtete T. als eine seiner künstler. wertvollsten Leistungen: Durch Kriegseinwirkung in Graz verschollen, wurden die zwölf zarten Bleistiftzeichnungen 1952 unversehrt wiedergefunden und 1954 von Wolfgang Schneditz veröff. Mit seinen Arbeiten war T. auf zahlreichen internationalen Ausst., u. a. in München, Paris und New York, vertreten. 1929 Tit.-Prof., 1930 Mitgl. der Wr. und der Prager Secession, erhielt T. insgesamt vier Staatspreise. 1944 amerikan. Staatsbürger und Mitgl. der Pennsylvania Acad. of Fine Arts.

Weitere W.: s. W. T., 2013.
L.: Fuchs, Geburtsjgg.; W. Schmied, in: NÖB 21, 1982, S. 95ff. (m. B.); Thieme–Becker; Vollmer; W. Schmied, W. T. – Porträt eines Einzelgängers, 1976; W. T. und die Thea T.-Stiftung in der Neuen Galerie, Graz 1988 (Kat., m. B.); O. Breicha, W. T.s Rötelzeichnungen zur „Französischen Revolution“ …, 1988; The Dictionary of Art 30, 1996; O. Breicha, W. T. Sein Werk im Rupertinum, 1997 (m. B.); Geschichte der bildenden Kunst in Österr. 6, ed. W. Schmied, 2002, s. Reg.; W. T. Im Sog der Moderne, ed. Ch. Steinle – G. Holler-Schuster, Graz 2013 (Kat., m. B., W. u. L.).
(W. Kitlitschka)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 301f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>