Tinti, Karl Wilhelm Frh. von (1829–1884), Gutsbesitzer und Politiker

Tinti Karl Wilhelm Frh. von, Gutsbesitzer und Politiker. Geb. Wien, 19. 5. 1829; gest. Kreuth, Bayern (D), 22. 8. 1884 (begraben: Gruft Pfarrkirche Loosdorf, NÖ); röm.-kath. Sohn des Staatsrats und Herrschaftsbesitzers Karl Valentin Frh. v. T. (geb. Wien, 27. 8. 1801; gest. Schallaburg, NÖ, 7. 9. 1852); ab 1855 verheiratet mit Mathilde Freiin v. Lederer-Trattern (1838–1900). – T. absolv. ab 1845 die phil. Jgg., stud. 1847–50 Rechtswiss. an der Univ. Wien (ohne Abschluss) und sollte in den Staatsdienst treten. Nach dem Tod seines Vaters widmete er sich als Besitzer der Fideikommissgüter Schallaburg, Sichtenberg und Plankenstein der Landwirtschaft. Auf Reisen durch Dtld., Frankreich, Italien, Belgien und die Schweiz erwarb er sich breite Kenntnisse über die Landeskultur und fungierte nach seiner Rückkehr als 1. Vizepräs. der Landwirtschaftsges. in Wien. 1861 wurde er in den nö. LT gewählt und von diesem in das AH des RR entsandt, wo er den sog. Großösterreichern zugerechnet wurde. Nach 1867 schloss er sich gemäßigten Fraktionen der Linken an. Seine liberale Haltung zeigte sich in der Gegnerschaft zum Konkordat. Sein Vorwurf 1870 an die Tiroler klerikalen Abg. rund um →Josef Greuter, patriot. Gefühle ledigl. gegenüber Rom zu entwickeln und keine echten Österreicher zu sein, veranlasste diese zum Austritt aus dem Parlament. Nach dem Sturz des „Bürgerministeriums“ im Mai 1870 verlor T. sein LT- und damit auch das RR-Mandat, zog aber Ende 1871 wieder in beide Parlamente ein. Bis zu seinem Ausscheiden aus dem AH 1879 wirkte T. als typ. Vertreter des verfassungstreuen Großgrundbesitzes. Im nö. LT (1861–70, 1871–74) galt T. in den ersten Jahren als Führer der „ministeriellen Partei“, die in der Unterstützung der Regierung Schmerling ihre Hauptaufgabe sah. Er verteidigte das (indirekte) Frauenwahlrecht in der Großgrundbesitzerkurie und forderte (erfolglos) die Einrichtung von gewählten Bezirksvertretungen. Nach der Einführung der direkten RR-Wahlen verzichtete T. 1874 auf sein LT-Mandat, um sich verstärkt der Arbeit im AH widmen zu können. Darüber hinaus fungierte er als Präs. der Wr. Bauges. (1869–84), der Liesinger Brauerei (1872–84), der Österr. Central-Boden-Credit-Bank (1879–83) und 1874–84 als Vizepräs. der Südbahn-Ges. Sozial engagiert, war T. in den Kriegsjahren 1859, 1864 und 1866 jeweils Mitbegründer und Vizepräs. der Patriot. Hilfsver. zu Wien sowie 1880 Mitbegründer und bis 1884 der 1. Präs. der Österr. Ges. vom Rothen Kreuz. 1859 Ritter des Leopold-Ordens; 1860 Kämmerer, erhielt er 1866 das Komturkreuz und 1879 das Großkreuz des Franz Joseph-Ordens. Im selben Jahr wurde er zum lebenslängl. Mitgl. des HH ernannt, wo er sich der Verfassungspartei anschloss.

L.: WZ, 22. 8. 1884 (A.); NFP, 4. 1. 1916; NWT, 10. 5. 1929; Habsburgermonarchie 7, s. Reg.; Hahn, 1879; Wurzbach; Der Reichsrath. Biograph. Skizzen 1, 1861, S. 50f.; G. Schmitz, Die Anfänge des Parlamentarismus in NÖ, 1985, s. Reg.; UA, Wien.
(F. Adlgasser)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 352
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