Titta, (Josef) Wenzel (Wenzeslaus) (1863–1923), Politiker und Mediziner

Titta (Josef) Wenzel (Wenzeslaus), Politiker und Mediziner. Geb. Prosmik, Böhmen (Lovosice, CZ), 24. 1. 1863; gest. Brüx, Böhmen (Most, CZ), 9. 8. 1923; röm.-kath., ab 1899 evang. AB. Sohn des Bootmeisters Wenzeslaus T. und von Anna T., Onkel von →Otto Kletzl. – Nach der Matura am Gymn. in Leitmeritz trat T. während seines Med.stud. an der (dt.) Prager Univ. (1881–89) der Burschenschaft Teutonia bei und begann sich polit. als Dt.nationaler zu engagieren. Nach der Prom. 1889 wirkte er als Distriktsarzt bzw. Med.rat in Trebnitz (Třebenice). Ab 1889 Vors. des von ihm geschaffenen kleinregionalen nationalen Schutzver. Germania, der in den folgenden Jahren zur Dachorganisation für lokale dt. Schul-, Kultur-, Wirtschafts- und soziale Unterstützungsver. bzw. ihre Einrichtungen wurde; 1890–1912 Hrsg. der Jahresberr. des Ver. mit dem Titel „Der nationale Kampf an der Trebnitzer Sprachgrenze“. 1894 beteiligte sich T. als Vertrauensmann des Alldt. Verbands und des Dt. Schulver. an der Gründung des Bunds der Deutschen in Böhmen, unterstützte später die Los-von-Rom-Bewegung und initiierte nach 1900 den Bau der evang. Kirche in Trebnitz. Er vertrat großdt. Positionen, wandte sich jedoch gegen die Partei- und Parlamentspolitik und organisierte im Rahmen der „nationalen Kleinarbeit“ eine überparteil. Volkstumspolitik. 1903 war T. maßgebl. beteiligt an der Gründung des Dt. Volksrats für Böhmen zur Koordinierung der dt.böhm. Schutzver., der polit. Parteien, der Presse sowie von Vertretern der dt.böhm. Städte und Bez. 1904–19 als Vors. des Volksrats mit Sitz in Trebnitz sowie ab der Gründung 1908 als Vorstandsmitgl. der Hauptstelle für dt. Schutzarbeit in Wien arbeitete er auf eine nationale Teilung Böhmens sowie auf eine Ausweitung dt. Minderheitenrechte hin. Ungeachtet der geringen Wirkungsmöglichkeiten des Volksrats wurde T. in der tschech. Öffentlichkeit zur Symbolfigur einer dt.böhm. Germanisierungspolitik. Nach 1908 war er im Rahmen der böhm. Landesverwaltung Vorstandsmitgl. der Dt. Zentralkomm. für Kinderschutz und Jugendfürsorge in Prag sowie Obmann des Ausschusses für Waisenpflege. Im Oktober 1918 forderte T. den Anschluss der dt.böhm. Regionen an Dtld. Seine Absicht, der kurzzeitigen dt.österr. Landesregierung von Dt.böhmen beizutreten, wurde (von →Raphael Pacher ebenso wie von →Josef Seliger) zurückgewiesen. Im Dezember 1918 flüchtete T. nach Dresden und wurde nach seiner Rückkehr im Juni 1919 in Theresienstadt bzw. Prag interniert und dann ohne Gerichtsverfahren entlassen. Im August 1919 gab er seine Funktionen im Volksrat offiziell auf und zog sich als Landarzt nach Trebnitz zurück. Die Burschenschaft Teutonia Prag nannte sich 1939–45 nach ihrer Integration in den Nationalsozialist. Dt. Studentenbund Kameradschaft J. Titta.

Weitere W.: Aus den Lebenserinnerungen Dr. T.s, ed. O. Kletzl, in: Sudetendt. Jb. 3, 1927 (betreffend die Jahre 1918/19). ‒ Ed.: Zur nationalen Frage, 3 Nr., 1908.
L.: Teplitz-Schönauer Anzeiger, 23. 1. 1913; Bohemia, 21. 1. 1923; NFP, Prager Tagbl., 10. 8. 1923; RP, 11. 8. 1923; Biograph. Jb. 5, 1923, S. 343ff.; Dt. Arbeit 12, 1912/13, S. 483ff. (m. B.), 23, 1923/24, S. 34ff.; H. Knirsch, in: Böhmerlandjb. für Volk und Heimat, 1924, S. 197; H. Bachmann, in: Z. für Ostforschung 14, 1965, S. 266ff.; H. Kuhn, Einigkeit und Recht und Freiheit: Dtld., Hessen und die Sudetendeutschen, 1981, S. 45f. (m. B.); E. Schmied, in: Bohemia 26, 1985, S. 309ff.; Dějiny města Litoměřic, 1997, S. 415; M. Wladika, Hitlers Vätergeneration, 2005, s. Reg.; H. Dvorak, Biograph. Lex. der Dt. Burschenschaft 1/6, 2005, S. 42f. (m. B.); UA, Praha, CZ.
(R. Luft)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 65, 2014), S. 359
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