Tomášek, František (1869–1938), Politiker und Journalist

Tomášek František, Politiker und Journalist. Geb. Kuklena, Böhmen (Hradec Králové, CZ), 12. 3. 1869; gest. Praha, Tschechoslowakei (CZ), 5. 10. 1938; röm.-kath.; ab 1921 konfessionslos. Sohn des Kürschners Jan T. – Nach der Matura am Obergymn. in Königgrätz (Hradec Králové) stud. T. 1888–90 Geschichte und Tschech. an der tschech. Univ. in Prag. In der tschech. Fortschrittsbewegung der 1890er-Jahre dem linken Flügel angehörend, red. er ab 1894 die „Radikální listy“ und ab 1895 das Studentenbl. „Časopis pokrokového studentstva“. Nach seinem Übertritt zur Sozialdemokratie übernahm er ein Jahr später als Hrsg. die Leitung der Parteiz. „Akademie“ und des Holzarbeiterbl. „Dřevodělník“. 1897 gehörte T. zu den ersten Red. der sozialdemokrat. Prager Tagesztg. „Právo lidu“, deren Wr. Parlamentsberichterstatter er wurde. Als hervorragender Redner bekannt, organisierte er 1904 in Wien eine Ausst. zur Geschichte der dortigen tschech. Arbeiterbewegung. 1905–18 leitete er als Chefred. die Wr. sozialdemokrat. Tagesztg. „Dělnické listy“. Als damals bedeutendster ständig in Wien lebender tschech. Sozialdemokrat gehörte er seit 1906 dem Parteivorstand in Prag an und leitete 1907–18 die nö. Landesorganisation der tschech. autonomist. Sozialdemokratie. 1909 an der Ausarbeitung eines neuen Parteiprogramms zur Nationalitätenfrage beteiligt, unterstützte er 1910/11 die nationale Spaltung der Gewerkschaften und trug sowohl zum Aufbau der selbstständigen tschech. Gewerkschaftsorganisation in Wien und NÖ wie zur Gründung der Parteidruckerei Lidová tiskárna in Wien bei. 1907–18 RR-Abg. für Nordostmähren, gehörte T. bis 1914 zu den Schriftführern des Hauses, wurde in die österr. Delegation entsandt und war 1911–14 Vizeobmann des tschech. sozialdemokrat. Klubs. 1912 kandidierte der informelle Sprecher der tschech. Minderheit erfolglos für den Wr. Gmd.rat und initiierte 1913 die Gründung des dt.sprachigen Parteibl. „Der čechoslavische Sozialdemokrat“. Seine Partei vertrat er auf den Kongressen der Internationale 1910 in Kopenhagen und 1912 in Basel. Im 1. Weltkrieg gehörte er dem nationalen Flügel seiner Partei an und kehrte im August 1918 nach Prag zurück, um bis Oktober 1918 das Gen.sekretariat der Partei zu leiten und im tschechoslowak. Nationalausschuss mitzuwirken. T. nahm eine herausragende Stellung in der tschechoslowak. Politik ein. Er war 1918–20 Präs. der Revolutionären Nationalversmlg. sowie 1920–25 des AH und wirkte bis zu seinem Tod als Obmann des tschechoslowak. sozialdemokrat. Klubs. 1925–35 saß T. im AH und 1935–38 im Senat. Der geschickte polit. Taktiker, der ebenso konziliant und pragmat. wie entschieden agierte, verband hist.-nationale Positionen mit sozialist. Ideol. Ebenso trug seine journalist. Tätigkeit zur Verbreitung und Popularisierung der marxist.-sozialist. Theorie bei. Ab 1923 leitete er zudem als Präs. die Dělnická akad. in Prag und wirkte am Masaryk-Inst. für Volksbildung mit.

W. (s. auch Luft): Psanci naší doby. Kapitola o vypovídání české chudiny z českých obcí na konci 19. věku, (um 1901); Socialistický žurnalista a mluvčí dělnictva, 1930. – Übers. u. Ed.: K. Kautsky, Předchůdci novějšího socialismu v Čechách a na Moravě, 1899.
L.: Právo lidu, 6., 7. 10. 1938; Otto; Otto, Erg.Bd.; M. Glettler, Die Wr. Tschechen um 1900, 1972, s. Reg.; A. Klimek, Boj o hrad 1–2, 1996‒98, s. Reg.; Politická elita meziválečného Československa 1918‒38, ed. F. Kolář u. a., 1998, S. 271 (m. B.); T. Weiser, Arbeiterführer in der Tschechoslowakei, 1998, s. Reg.; J. Tomeš, Průkopníci a pokračovatelé. Osobnosti v dějinách české sociální demokracie 1878‒2003, 2005, S. 152f. (m. B.); R. Luft, Parlamentar. Führungsgruppen und polit. Strukturen in der tschech. Ges. 2, 2012, S. 383ff. (m. W.); J. Tomeš u. a., Tváře našich parlamentů, 2012, S. 486ff. (m. B.); F. Adlgasser, Die Mitgl. der österr. Zentralparlamente 1848–1918, 2, 2014; UA, Praha, CZ.
(R. Luft)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 388
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