Tomášek (Tomaschek), Václav Jan (Wenzel Johann) (1774–1850), Komponist, Pianist und Pädagoge

Tomášek (Tomaschek) Václav Jan (Wenzel Johann), Komponist, Pianist und Pädagoge. Geb. Skutsch, Böhmen (Skuteč, CZ), 17. 4. 1774; gest. Prag, Böhmen (Praha, CZ), 3. 4. 1850. Sohn des Leinenhändlers Jakub T. (1722–1793) und seiner Frau Kateřina, geb. Habalová (1728–1786); ab 1824 mit Wilhelmine T., geb. Ebert (1797–1836), verheiratet. – Bereits während des Gymn.besuchs in Iglau (Jihlava) 1787–90 und Prag (ab 1790) sowie seines Jusstud. an der Univ. Prag (ab 1795) widmete sich T. intensiv der Musik. Er begann als Vokalist am Minoritenkloster in Iglau, befasste sich später mit dem Klavierspiel sowie mit Musiktheorie und -literatur und brachte es als Autodidakt zu großem Können und Virtuosität. Ab 1795 war er in Prag als Pianist bekannt und begann zugleich in bürgerl. und Adelskreisen Musik zu unterrichten. Aus dieser Zeit stammen auch seine ersten Kompositionsversuche. Nach dem Abschluss des Jusstud. (1799?) widmete er sich verstärkt der Musik und entschied sich letztl. gegen eine Juristenlaufbahn. Beeinflusst wurde diese Entscheidung von Georg Gf. Buquoy, der ihm 1806 eine lebenslängl. gesicherte Existenz als Musiker in seinen Diensten angeboten hatte. Diese Rente bezog T. auch nach seiner Vermählung. Die Wohnung des Ehepaars wurde zum wichtigen Treffpunkt für Musiker, Schriftsteller, Wiss. und andere bedeutende Persönlichkeiten des Prager Kulturlebens. T. beteiligte sich an den Aktivitäten des Ver. der Kunstfreunde für Kirchenmusik in Böhmen, ab 1837 veröff. er regelmäßig Beitrr. in der bedeutenden Prager Z. „Ost und West“. Aus dem gesellschaftl. Leben zog er sich ab Ende der 1820er-Jahre allmähl. zurück. Der in Prag als musikal. Autorität („Musikpapst“, „Musikdalai-Lama“) geltende T. war auch im Ausland bekannt – auf ihren Konzertreisen besuchten ihn u. a. Richard Wagner (1832), Clara Schumann (1837 noch als Wieck), Ole Bull (1839) und Hector Berlioz (1846). Sein Schüler, der spätere bedeutende Kritiker und Ästhetiker →Eduard Hanslick, meinte jedoch, dass er von den Zeitgenossen, speziell in Böhmen, nicht genügend geschätzt wurde. Einen wichtigen Tl. von T.s Aktivitäten stellte der Unterricht dar, bes. nach der Eheschließung. Als gefragter Lehrer für Klavierspiel und Musiktheorie nahm er nur begabte Schüler an, von denen einige später europaweit erfolgreich waren (z. B.→Alexander Dreyschock, →Julius Schulhoff, Ignaz Tedesco, Siegmund Goldschmidt, →Wilhelm Kuhe, Jan Václav Voříšek, →Johann Friedrich Kittl, →Josef Dessauer und →Hans Hampel). T. gilt als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Musikkultur Böhmens in der 1. Hälfte des 19. Jh. Sein Schaffen ist umfangreich und umfasst viele Gattungen (ca. 175 Werke, Kompositionen für Klavier und Kammerensemble, Symphonien, geistl. Musik, Opern und dramat. Szenen), doch überwiegen Vokalkompositionen (bes. Lieder; vertont sind Texte von über 70 Autoren) und Werke für Klavier. Als bahnbrechender kompositor. Beitr. T.s gilt die Entwicklung einer neuen musikal. Form von poet. Einzelstücken (Eklogen, Dithyramben und Rhapsodien). Bis in die 1830er-Jahre blieb T. in Böhmen als Liederkomponist unerreicht. Er war Ehrenmitgl. von Musikges. in Innsbruck, Wien, Rotterdam, Ofen und Pest (Budapest), Stuttgart, Lemberg (L’viv) und Berlin. 1811 verlieh ihm die Univ. Prag den Titel Mag. artium liberalium. Ein Notennachlass befindet sich im Národní muz. (České muz. hudby) in Prag.

Weitere W. (s. auch Eitner; Grove; MGG II; Wurzbach; Janáčková): Seraphine (Oper); Messen; Requiem; Klavierkonzerte und -sonaten; Lieder nach dt. und tschech. Ged., u. a. Šestero písní, Šestero písní Hankových, Šestero písní v hudbu uvedených, Starožitné písně Králodvorského rukopisu – Altböhm. Lieder aus der Königinhofer Hs.; etc.
L.: Eitner, 1903 (m. W.); Grove, 1980, 2001 (m. B. u. W.); MGG I (m. B.), II (m. W.); Wurzbach (m. W.); Libussa 4, 1845, S. 349ff., 5, 1846, S. 321ff., 6, 1847, S. 411ff., 7, 1848, S. 458ff., 9, 1850, S. 323ff. (tschech.: Vlastní životopis V. J. T., 1941, m. B.); K. V. Hansgirg, in: Libussa 14, 1855, S. 204ff.; J. K. Zástěra, V. J. K. T., předchůdce B. Smetany, 1925 (m. B.); M. Postler, V. J. T. Bibliografie, 1960 (m. B.); T. Volek – S. Jareš, in: Hudební věda 12, 1975, S. 277ff. (m. B.); I. Janáčková, ebd. 18, 1981, S. 171ff. (m. W.); M. Kabelková, ebd. 42, 2005, S. 153ff.; dies., ebd. 46, 2009, S. 341ff. (m. tw. W.); UA, Praha, CZ.
(M. Kabelková)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 388f.
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