Trebitsch-Lincoln, Ignatius Timothy; (Trebitsch Ignácz, Trebitzsch Ignaz Timotheus, Tribich Lincoln, I. T. T. Lincoln), buddhist. Ordensname Chao Kung (1879–1943), Abenteurer, Journalist und Politiker

Trebitsch-Lincoln Ignatius Timothy (Trebitsch Ignácz, Trebitzsch Ignaz Timotheus, Tribich Lincoln, I. T. T. Lincoln), buddhist. Ordensname Chao Kung, Abenteurer, Journalist und Politiker. Geb. Paks (H), 4. 4. 1879; gest. Shanghai (CHN), 7. 10. 1943; mos., ab ca. 1898 evang. AB, ab 1901 presbyterian., 1903 anglikan., ab ca. 1925 buddhist. Sohn des aus Mähren nach Ungarn eingewanderten Getreidehändlers Nathan T. (gest. 1899) und von Julia T., geb. Freund; ab 1901 verheiratet mit der Tochter eines dt. Kapitäns, Margarethe T., geb. Kahlor (geb. um 1877; gest. nach 1948). – Nach dem Schulbesuch in Paks und Budapest stud. T. 1895–96 an der Schauspielakad. in Budapest, brach jedoch sein Stud. ab. Er bereiste Europa, vermutl. auch Amerika, und veröff. darüber Erlebnisberr. in den ung. Bll. „Egyetértés“ und „Közgazdasági Szemle“. Ca. 1898 konvertierte er in Hamburg zum Protestantismus und besuchte anschließend das evang.-luther. Seminar in Breklum. 1901 ging er nach Montreal, trat der presbyterian. Kirche bei und arbeitete als Judenmissionar. 1903 zog er nach Großbritannien, wurde Anglikaner und war als Hilfspfarrer in Appledore tätig. 1904 fiel er bei der theol. Prüfung durch, arbeitete anschließend als Journalist bzw. ab 1906 als Sekr. des Sozialreformers Benjamin Seebohm Rowntree, der T.s polit. Laufbahn ebnete. Ab 1909 brit. Staatsbürger, war T. 1910 als Mitgl. der Liberalen Partei Abg. des Unterhauses. Er stieg ins Ölgeschäft ein, machte jedoch bald Bankrott und verlor sein Abg.mandat. I. d. F. Aktionär bzw. Dir. galiz. und rumän. Erdölges., verlor er im Sommer 1914 erneut sein Vermögen. Nach Kriegsausbruch zunächst als Briefzensor, danach als Agent der British Naval Intelligence tätig, arbeitete er auch für dt. Dienste. Beinahe mittellos und wegen Betrugs gesucht, floh T. 1915 in die USA, wo er sowohl der dt. Botschaft als auch US-Behörden seine Dienste anbot und sein Buch „Revelations of an International Spy“ (1916, m. B.) veröff. 1916 verhaftet und an Großbritannien ausgeliefert, wurde er wegen Wechselfälschung zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt. 1919 entlassen, ausgebürgert und nach Ungarn ausgewiesen, ging T. nach Dtld., wo er als Journalist durch seine antibrit. Haltung auffiel und Kontakte zu nationalist. Gruppierungen, u. a. um Erich Ludendorff, knüpfte. 1920 Pressechef von Wolfgang Kapp, floh er nach dem gescheiterten Putschversuch nach Bayern, dann nach Ungarn und arbeitete i. d. F. für gegenrevolutionäre Gruppierungen um Admiral Miklós Horthy v. Nagybánya sowie für italien. Faschisten. 1920 bot er in Österr. erfolglos dem französ. und brit. Geheimdienst brisante Dokumente an und verkaufte sie schließl. an die Tschechoslowakei. 1921 in Wien wegen Hochverrats vor Gericht gestellt, wurde er aus polit. Gründen freigesprochen und wanderte 1922 über die USA nach China aus, wo er einerseits als Waffenhändler sowie als Berater chines. Kriegsherren tätig war und sich andererseits 1923–24 als Delegationsleiter in Europa und den USA um Kredite für China bemühte. Von der Theosophie beeinflusst, befasste sich T. ab 1925 mit östl. Religionen, konvertierte zum Buddhismus, legte 1931 die Bodhisattva-Gelübde ab und publ. Artikel und Bücher über den Buddhismus (u. a. „Can War be Abolished?“, 1932). Anfang der 1930er-Jahre hielt er Vorträge in Europa und Kanada; sein Versuch, ein buddhist. Kloster in Europa zu gründen, scheiterte allerdings. Während des 2. Weltkriegs war er in Shanghai für den japan. und den dt. Geheimdienst tätig. Als einer der bekanntesten Abenteurer und Spione des 20. Jh. wird T. bis heute im Zusammenhang mit zahlreichen Betrügereien, Verbrechen und Staatsstreichen in Europa und Asien genannt, wobei er durch seine autobiograph. Werke nicht unmaßgebl. zur Selbststilisierung seiner Person beigetragen hat.

Weitere W. (s. auch Hecker): Der größte Abenteurer des XX. Jh.!?, 1931; The Autobiography of an Adventurer, 1931; etc.
L.: Enc. Jud. (m. B.); Jüd. Lex.; ÚMÉL; Universal Jew. Enc.; Wininger; I. Gyomai, T. L. Le plus grand aventurier du siècle, 1939; J. Nedava, T.-L., 1957; E. Gömöri, Az igazi T., 1985 (dt.: Die Wahrheit über T., 1985); H. Kesler, I. T.-L. oder vom Talmudschüler zum Buddha-Priester, 1988; B. Wasserstein, The Secret Lives of T. L., 1988 (m. B.); G. Wigoder, Dictionary of Jewish biography, 1991 (m. B.); H. Hecker, Lebensbilder dt. Buddhisten 2, 1992 (m. B. u. W.); Oxford Dictionary of National Biography (s. Lincoln, Ignatius Timotheus Trebitsch), 2004 (online, Zugriff 26. 2. 2014).
(Á. Z. Bernád)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 442f.
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