Trebitsch, Leopold (1842–1906), Industrieller

Trebitsch Leopold, Industrieller. Geb. Fünfhaus, NÖ (Wien), 10. 5. 1842; gest. Wien, 12. 12. 1906; mos. Sohn des Webers Salomon T. (geb. Nikolsburg, Mähren / Mikulov, CZ, 10. 3. 1800; gest. Wien, 1. 2. 1868), der 1830 eine Seidenweberei in Fünfhaus gründete, und von Babette T., geb. Telscher, Bruder von Heinrich T. d. Ä. (geb. Wien, 5. 6. 1839; gest. ebd., 17. 4. 1872) und Sigmund T. (s. u.), Vater von →Rudolf T., Oscar T. (s. u.) und →Arthur T.; ab 1875 verheiratet mit der Witwe seines Bruders Heinrich T. d. Ä., Malvine T., geb. Singer (geb. Pest/Budapest, H, 8. oder 9. 6. 1846; gest. Wien, 5. 4. 1918), die aus ihrer 1. Ehe zwei Söhne mitbrachte: Heinrich T. d. J. (geb. Wien, 21. 6. 1872; gest. Nizza/Nice, F, 18. 8. 1942) und den späteren Schriftsteller und George-Bernard-Shaw-Übers. Siegfried T. (geb. Wien, 21. 12. 1868; gest. Zürich, CH, 3. 6. 1956). – T. besuchte die Schottenfelder Oberrealschule sowie die Webschule in Wien und erlernte in den folgenden drei Jahren in Lyon die damals modernsten Techniken der Seidenweberei. Nach seiner Rückkehr trat er in die Fa. seines Vaters ein und wurde 1870 zusammen mit seinen Brüdern Ges. von S. Trebitsch & Sohn. T. widmete sich ganz der Modernisierung der österr. Seidenind. und beteiligte sich maßgebl. an der Einführung des mechan. Seidenwebstuhls und der Jacquard-Technik. 1888 war er als Delegierter der Wr. HK federführend an den Abschlussverhh. für den österr.-italien. Handelsvertrag beteiligt und sicherte so diesen für die österr. Seidenind. traditionell wichtigen Markt. Daneben baute er sein Unternehmen aus: Zur Stammfabrik in Wien 7 kamen Unternehmen in Mähr. Schönberg (Šumperk) und Wigstadtl (Vítkov), wodurch die Fa. zu einem der bedeutendsten Unternehmen der österr. Textilind. wurde. 1888 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens. Nach T.s Tod wurde die Fa. von seinem Sohn Oscar T. (geb. Wien, 21. 12. 1877; gest. ebd., 19. 6. 1948; mos., ab 1916 evang. AB) weitergeführt, der die wirtschaftl. Schwierigkeiten der 1920er- und 1930er-Jahre nur bedingt meistern konnte. Er wurde 1938 aufgrund seiner jüd. Herkunft enteignet und versuchte nach dem 2. Weltkrieg erfolglos, die in Österr. verbliebenen Reste der einstigen Fa. wieder in seinen Besitz zu bringen. Leopold T.s Bruder Sigmund T. (geb. Wien, 25. 7. 1828; gest. ebd., 19. 2. 1904; mos.), verheiratet mit Julie T., geb. Rosenthal (geb. Hohenems, Vbg., 24. 3. 1832; gest. Bad Ischl, OÖ, 4. 7. 1908), trat bereits als 20-Jähriger in die von seinem Vater Salomon T. gegr. Seidenfabrik ein und führte sie ab 1868 als Seniorchef und federführender Ges. Er galt aufgrund seiner mehr als 50-jährigen Tätigkeit als Doyen der österr. Seidenind. Zusammen mit seinen Brüdern Heinrich T. und Leopold T. baute er die Fa. S. Trebitsch & Sohn zu einer der größten der österr. Textilind. und zur größten der Seidenind. aus. Daneben galt sein Interesse v. a. der bildenden Kunst und der öff. Wohltätigkeit. In seinem Testament spendete er große Summen und begründete Stiftungen für die Armen Wiens, v. a. für die jüd., denen viele Berufe verschlossen blieben. T. verkörperte wie wenige andere den Typus des biedermeierl.-patriarchal. Großindustriellen, der das Unternehmen noch selbst aufgebaut hatte und dem Wohl seiner Arbeiter verbunden war.

L.: WZ, 26. 10. 1870; NFP, 13. 12. 1906; Jb. der Wr. Ges.; Der k. oesterr. Franz-Joseph-Orden und seine Mitgl., ed. L. Hirsch, 1912, S. 112 (m. B.); Jb. der österr. Ind. 2, 1913, S. 2003; Adreßbuch der Textilind. 10, 1913; Herald. Genealog. Ges. Adler, IKG, WStLA, alle Wien (auch zu Sigmund T.). – Oscar T.: AdR, Wien. – Sigmund T.: Neues Wr. Abendbl., 19., NFP, 20. 2. 1904; Dr. Bloch’s Oesterr. WS 21, 1904, S. 138; Der k. oesterr. Franz-Joseph-Orden und seine Mitgl., ed. L. Hirsch, 1912, S. 100 (m. B.); Website Hohenems Geneal., Jüd. Mus. Hohenems (Zugriff 14. 4. 2014, m. B.).
(G. Gaugusch)  
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 440f.
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