Treitl, Josef (1804–1895), Kaufmann, Politiker und Mäzen

Treitl Josef, Kaufmann, Politiker und Mäzen. Geb. Wieden, NÖ (Wien), 8. 1. 1804 (Taufdatum); gest. Wien, 23. 1. 1895. Sohn des bürgerl. Eisenhändlers und Hausbesitzers Johann Nepomuk T. (geb. Pecsenyéd, Ungarn / Pöttsching, Bgld., 7. 4. 1766, Taufdatum; gest. Wieden, 3. 1. 1828) und von dessen Frau Johanna T., geb. Jordan, Tochter des vermögenden Eisenhändlers Franz Jordan; ledig. – T.s Vater kam schon früh nach Wien und war bei mehreren Handlungen als Diener beschäftigt, ehe er die Fa. seines Schwiegervaters übernahm, in die T. 1825 als Ges. eintrat. Nach dem Tod des Vaters führte er die in Wien 4 bzw. Wien 1 befindl. Eisenwarenhandlungen weiter und erhielt 1828 das Wr. Bürgerrecht. Seine kommunalpolit. Tätigkeit begann im Mai 1848 mit der Berufung als Vertreter der Vorstädte Wieden und Schaumburgergrund in den Wr. Gmd.ausschuss. Im Oktober desselben Jahres wurde er in den Wr. Gmd.rat gewählt, dem er bis 1884 ununterbrochen angehörte. Als Vertreter der Mittelpartei war er ein aktives Mitgl. mehrerer Sektionen, bes. der Finanzsektion, in der er seine prakt. Erfahrungen als erfolgreicher Geschäftsmann einbringen konnte, aber auch seine private, in zahlreichen Anekdoten illustrierte Sparsamkeit bei den Beratungen der Finanzgebarung der Stadt zum Ausdruck brachte. Dennoch trat er entschieden für den Bau der von seinem Freund →Eduard Sueß projektierten 1. Wr. Hochquellenwasserleitung ein. T. war daneben Administrator der Allg. Versorgungs-Anstalt, ab 1850 Dion.mitgl. der Ersten österr. Spar-Casse und des St. Josef-Kinderspitals auf der Wieden sowie ab 1852 Beisitzer der Bürgerspital-Wirtschafts-Comm. Seine humanitäre Denkart geht nicht zuletzt aus den außerordentl. reich dotierten testamentar. Legaten für seine Verwandtschaft und Hausangestellten sowie für eine Reihe von wohltätigen Einrichtungen hervor. V. a. aber ist T. – generell an Astronomie und Naturwiss., nicht nur aus persönl. Neigung, sondern auch aus weltanschaul. und österr.-patriot. Motiven bes. interessiert – als Mäzen der k. Akad. der Wiss. in Wien zu erwähnen, die er in seinem Testament als Universalerbin einsetzte, um damit Forschungen zu unterstützen, die nicht durch andere spezielle wiss. Inst. oder die Verwaltung abgedeckt sind. Das der Akad. zufallende Widmungsvermögen betrug über 1,8 Mio. fl und wurde von einem Komitee verwaltet, das die Erträgnisse im Sinne T.s v. a. für Forschungsreisen zu naturwiss., med. und ethnolog. Zwecken verwendete, womit, wie Sueß in seiner Trauerrede auf T. hervorhob, vorwärtsstrebende junge Talente gefördert wurden. Die Akad. brachte ihre Dankbarkeit u. a. durch die Errichtung eines repräsentativen Grabmonuments auf dem Hietzinger Friedhof, die Anfertigung einer Porträtbüste und, einer bes. Vorliebe T.s entsprechend, die Anbringung einer nach ihm benannten Normaluhr (beide in der Aula der Akad.) zum Ausdruck. T. wurde darüber hinaus von der Stadt Wien durch die Verleihung der doppelt großen Salvator-Medaille (1878) gewürdigt; 1874 erhielt er das Ritterkreuz des Franz Joseph-Ordens.

L.: Vorstadt-Ztg., 23. 2. 1862, 25. 1. 1863; Neues Wr. Journal, 24.–27., NFP, 24.–26. 1. 1895, 11. 2. 1898; Das Vaterland, 24., 26. (auch A.), Illustrirtes Wr. Extrabl., 25. 1. 1895 (m. B.); Almanach Wien 48, 1898, S. 241ff., 51, 1901, S. 128ff.; Czeike; Wurzbach; M. Bermann – F. Evenbach, Die neuen Väter der Großkommune Wien … 1861, 1861, S. 40; E. Sueß, Erinnerungen, 1916, S. 155, 179; R. Meister, Geschichte der Akad. der Wiss. in Wien 1847–1947, 1947, S. 112, 340; R. Till, in: Wr. Geschichtsbll. 5, 1950, S. 65, 71; C. Felder, Erinnerungen eines Wr. Bgm., ed. F. Czeike, 1964, S. 163f.; G. M. Hahnkamper, Der Wr. Gmd.rat zwischen 1861 und 1864, 2, phil. Diss. Wien, 1973, S. 570f.; B. Fiala, Der Wr. Gmd.rat ... 1879 bis 1883 ..., phil. Diss. Wien, 1974, S. 303; Archiv der ÖAW, WStLA, beide Wien; Pfarramt Pöttsching, Bgld.
(H. Reitterer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 445f.
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