Truchsess-Waldburg-Zeil, Maria Walburga Gfn. (1762–1828), Wohltäterin und Pädagogin

Truchsess-Waldburg-Zeil Maria Walburga Gfn., Wohltäterin und Pädagogin. Geb. Brünn, Mähren (Brno, CZ), 22. 10. 1762; gest. Kunewald, Mähren (Kunín, CZ), 25. 5. 1828. Tochter des FML Franz Xaver Gf. v. Harrach-Rohrau (geb. auf einem Rheinschiff bei Kaub/D, 2. 10. 1732; gest. Mailand/Milano, I, 15. 2. 1781) und von Maria Rebecca Gfn. v. Harrach-Rohrau, geb. v. Hohenems (geb. Wien, 16. 4. 1742; gest. ebd., 18. 4. 1806); ab 1779 verheiratet mit dem Off. Clemens Alois Gf. Truchsess-Waldburg-Zeil (geb. München, Bayern/D, 13. 8. 1753; gest. Kempten, Bayern/D, 10. 3. 1817), Trennung 1786, vier Kinder. – T. erhielt eine sorgfältige Erziehung und verbrachte ihre Kindheit auf den Schlössern Bistrau bei Polička (Bystré) und Kunewald sowie in Brünn und Wien. Nach dem Tod von drei Kindern und der Trennung von ihrem Ehemann fiel sie einige Zeit in tiefe Depressionen, fand jedoch auf Schloss Kunewald ihren Lebensmut wieder und führte dort ein ungezwungenes Leben. Viel Zeit verbrachte sie mit Reiten, Jagen, Weiterbildung sowie Reisen und knüpfte Kontakte zur Brünner Freimaurerloge Zu wahren vereinigten Freunden und zu den Illuminaten in Mähren. T. machte sich bes. um das Kuhländchen verdient. Sie förderte die Landwirtschaft und die Viehzucht, insbes. durch die Züchtung des berühmten Kuhländer Rinds sowie die Ausweitung des Obst- und Gemüseanbaus, aber auch durch die Anlage von Baumschulen. Darüber hinaus war ihr die med. Versorgung der Bevölkerung ein Anliegen. Sie stellte dieser nicht nur einen Arzt zur Verfügung, sondern forcierte auch das Impfwesen. Bes. wichtig war ihr jedoch die Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen. 1788 eröffnete T. in Kunewald eine Stiftsschule für Knaben sowie eine kostenlose Schule für Mädchen, in der v. a. Handarbeiten gefertigt wurden. Weiters ließ sie eine Bibl. und ein Naturalienkabinett einrichten. 1792 gründete sie in ihrem Schloss Kunewald ein Erziehungsinst. nach dem Vorbild der Salzmannschen Anstalt in Schnepfenthal, in dem sie sich auch selbst am Unterrichtsgeschehen beteiligte und Lehrmittel zur Verfügung stellte. Die Ausbildungsstätte in Kunewald zählte damals zu den modernsten Bildungseinrichtungen in Mitteleuropa, wurde von dt.- und tschech.sprachigen Kindern sämtl. Bevölkerungsschichten besucht, darunter auch von →František Palacký, und war interkonfessionell. Um einem modernen Unterricht gerecht zu werden, stand T. in Kontakt mit Christian Gotthilf Salzmann und Johann Heinrich Pestalozzi. 1806–13 Herrscherin der Gf.schaft Lustenau, unternahm sie 1808 eine Reise durch Österr., Dtld. und die Schweiz. Im Zuge dieser Reise reformierte sie das Schulwesen in Lustenau und stiftete in Hohenems eine Volksbibl. Durch ihren aufwendigen Lebensstil geriet T. zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten und musste 1813 Lustenau verkaufen. 1814 folgte aus finanziellen und moral. Gründen auch die Auflösung ihres Inst.

L.: Wurzbach; W. Schramm, Vaterländ. Denkwürdigkeiten 2, 1907, S. 1ff.; E. Hausotter, in: Das Kuhländchen 5, 1923, S. 11f.; Alte Heimat – Kuhländchen. Mitt. 3, 1998, S. 265; J. Zezulčík, in: Poodří 2, 2004, S. 18; K. Straková, Der Philanthropismus in der Spätaufklärung in Kuhländchen, pädagog. Bakkalaureatsarbeit Brünn, 2007, S. 21ff. (m. B.); Zemský archiv v Opavě, Opava, CZ.
(D. Angetter)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 476
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