Türk, Johann Baptist (Johann Franziskus Xaver) (1775–1841), Freiheitskämpfer und Buchbinder

Türk Johann Baptist (Johann Franziskus Xaver), Freiheitskämpfer und Buchbinder. Geb. Innsbruck (Tirol), 17. 8. 1775; gest. Töltschach (Maria Saal, Ktn.), 30. 9. 1841; röm.-kath. Sohn des Univ.buchbinders Franz Xaver T. und von Agnes T., geb. Told; ab 1810 verheiratet mit der Gutsbesitzerstochter Theresia T., geb. Leitgeb. – T. besuchte zunächst das Gymn., musste allerdings aus Geldmangel wieder austreten und erlernte bei seinem Vater das Buchbinderhandwerk. Er nahm – trotz Blindheit auf einem Auge – am Feldzug von 1797 teil und kämpfte als Angehöriger der Innsbrucker Scharfschützenkomp. im Gefecht von Spinges (Eisacktal) gegen die Franzosen. 1799 war er in Ramosch (Engadin) an weiteren Kampfhandlungen gegen die napoleon. Truppen beteiligt. 1801 übersiedelte er mit zwei seiner Schwestern nach Ktn., wo er in Klagenfurt als Buchhalter in einer Eisenhandlung des Gurker Fürstbischofs arbeitete. Zur Vorbereitung der Tiroler Erhebung wurde er 1808 als Kundschafter in das 1806 an Bayern abgetretene Land geschickt. Ähnl. wie Andreas Hofer in Tirol organisierte er in Ktn. den Widerstand gegen die Franzosen und führte den Landsturm bei mehreren Einsätzen (u. a. in Sachsenburg, Drautal), wobei er sich sowohl durch Kühnheit als auch durch Besonnenheit und Realitätssinn auszeichnete. Nach dem Waffenstillstand von Znaim im Juli 1809 zog sich T. auf Schloss Falkenberg bei Klagenfurt zurück. Im August begab er sich unter dem Namen Johann Müller in das Hauptquartier der österr. Armee nach Ungarn, wo er in Totis (Tata) K. →Franz II. (I.) über die militär. Lage in Ktn. berichtete. Kurz darauf traf T. in Keszthely mit Erzhg. →Johann zusammen, der ihn mit der Organisation des Landsturms in Ktn. beauftragte, um im Kriegsfall mit einer Erhebung das reguläre Heer zu unterstützen. Auf der Rückreise – wiederum unter falschem Namen (Johann B. Seybold) – konnte T. den Franzosen nur knapp entrinnen und sich in Maria Saal beim Gastwirt Johann Herndl verstecken. Eine weitere Mission führte ihn nach Triest, wo er zur Geldbeschaffung Eisen des Gurker Bischofs verkaufte, Briefe der Armeeführung abgab und Vorbereitungen für einen Aufstand traf. Dabei wurde er von den Franzosen kurzfristig festgenommen, allerdings blieb mit Hilfe eines örtl. Beamten seine wahre Identität verborgen. Auf der Rückreise entging er bei Adelsberg (Postojna) einer Festnahme durch die Franzosen nur knapp und brachte sich schließlich in Maria Saal in Sicherheit. Ende September unterstützte er den Tiroler Aufstand im Pustertal durch die Lieferung von Schießpulver und Blei, Anfang Oktober beteiligte er sich an Angriffen des Ktn. Landsturms und der Tiroler Schützen gegen französ. Truppen in Oberktn. Trotz der Drohung, seine Mutter und Schwestern als Geiseln zu nehmen und sein Haus in Klagenfurt zu zerstören, nahm er noch Ende Oktober an Gefechten bei Lieserhofen teil. T. begab sich, nachdem er Kenntnis vom Schönbrunner Frieden erhalten hatte, zu Andreas Hofer, riet diesem von weiterem Widerstand ab und bot ihm an, sich in Ktn. in Sicherheit zu bringen, was Hofer allerdings ablehnte. Anschließend erreichte T. im steir. Neumarkt durch ein Täuschungsmanöver noch die Freilassung eines österr. Kreiskoär., der sich französ. Kontributionsforderungen widersetzt hatte. Ab 1810 lebte T. auf Gut Töltschach bei Maria Saal, wo er sich der Landwirtschaft widmete. 1813 wurde ihm ein Tabakverlag in Klagenfurt zuerkannt. T., der wegen seiner militär. Fähigkeiten, seines organisator. Talents und seiner waghalsigen Kundschafterdienste als Andreas Hofer Kärntens bezeichnet wurde, erhielt 1798 die große (Tiroler) landschaftl. Ehrenmedaille, 1799 die goldene Tapferkeitsmedaille und 1810 die große goldene Zivilverdienstmedaille.

W.: Jugend und Kriegserinnerungen, ed. F. Khull, in: Jahresber. des k.k. Zweiten Staats-Gymn. in Graz 32, 1901, 33, 1902; Meine Lebensschücksalle, ed. R. Gratzer, 1985.
L.: Bote für Tirol, 11., 15., 18. 8. 1842, 15. 4. 1904; Sbg. Nachrichten, 20. 11. 1959; ADB; Wurzbach; H. Schmölzer, in: Österr.-Ung. Revue, NF 20, 1896, S. 279ff., 352ff.; ders., A. Hofer und seine Kampfgenossen, 1900, passim; M. Wutte, in: Carinthia I, 98, 1908, S. 60ff.; FS zum Gedenken an J. B. T., 1959; Osttiroler Heimatbll. 52, 1984, Nr. 9; F. W. Leitner, in: Rudolfinum, 2002, S. 251ff.; G. Pfaundler-Spat, Tirol-Lex., neubearb. Aufl. 2005; M. Schennach, Revolte in der Region, 2009, passim; H. Rogy, in: Carinthia I, 199, 2009, S. 315ff.; W. Sabitzer, in: Öff. Sicherheit 11–12, 2009, S. 31f. (m. B.).
(Ch. Haidacher)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 14 (Lfg. 66, 2015), S. 502f.
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>
Bd. <==> | |<1  <=−10<=  S. 1 =>+10=>