Tunner, Joseph Ernst (1792–1877), Maler und Graphiker

Tunner Joseph Ernst, Maler und Graphiker. Geb. Obergraden (Stmk.), 24. 9. 1792; gest. Graz (Stmk.), 10. 10. 1877; röm.-kath. Sohn des Gewerken Joseph T., Besitzer des Werks Tunnerhammer in Obergraden, und der Juliane T., geb. Großauer, wiederverehel. Kliegl, Tochter eines Hammergewerken aus Deutschfeistritz, Vater der Pianistin →Marie T. und der Malerin Silvia (Sylvia) T. (geb. Graz, 19. 4. 1851; gest. Tieschen, Stmk., 18. 12. 1907), die bis 1904 in Graz tätig war und Gemälde christl. Inhalts im Stil ihres Vaters schuf, Onkel von →Peter Ritter v. T., des Graphikers Albert T. (geb. 2. 8. 1826) und von Robert Paul T. (s. u.); 1821–22 mit der Klagenfurter Arzttochter Josephine Margaritha Pichler (geb. Klagenfurt/Klagenfurt am Wörthersee, Ktn., 9. 10. 1789; gest. Schloss Trautenfels, Stmk., 29. 4. 1822), ab 1842 mit päpstl. Dispens mit seiner Nichte Maria T. (geb. Obergraden, 10. 10. 1814; gest. Graz, 12. 1. 1901) verheiratet. – Nach Absolv. des Gymn. in Graz stud. T. 1810–18 an der Wr. ABK u. a. bei Hubert Maurer (1815 Gundel-Preis 2. Kl.) und beteiligte sich 1820 an der Jahresausst. von St. Anna. 1816–21 befand er sich vorwiegend auf Wanderschaft in der Stmk. sowie in Ktn., erhielt zahlreiche Porträtaufträge und schuf erste Aquarelle und Miniaturbildnisse. 1821 übersiedelte er mit seiner Frau in die Oberstmk., 1821/22 folgten weitere Stud.reisen durch Istrien und nach Triest, bei denen landschaftl. und architekton. Stud. entstanden. Ab 1823 hielt sich T. in Rom auf, wo er in der Künstlergemeinschaft des Lukasbunds, bei den Nazarenern (u. a. →Joseph Sutter, Peter v. Cornelius, →Julius Schnorr v. Carolsfeld, Friedrich Overbeck), Aufnahme fand, an den gem. Kompositionsabenden teilnahm und 1826 deren Vorsitz von Schnorr übernahm. Er kopierte Druckgraphiken von Dürer und Gemälde von Perugino und Raffael sowie gem. mit →Josef v. Hempel und →Leopold Kupelwieser die Fresken von Fra Angelico in der vatikan. Cappella Niccolina. Von Ende 1824 bis Dezember 1825 hielt er sich in Perugia auf. In dieser Zeit entstanden zahlreiche Veduten und religiöse Szenen, die zusammen mit den Zeichnungen aus Albano Laziale, Nemi, Castel Gandolfo und Veji sowie den nazaren. Freundschaftsporträts (Philipp Veit, ca. 1823; Schnorr, 1825; Josef v. Führich, 1828) den Höhepunkt seines künstler. Schaffens bildeten. Auf Vermittlung von Veit führte er 1830/31 gem. mit seinem Freund →Eduard v. Steinle die zwei Freskogemälde „Verkündigung Mariä“ und „Heimsuchung“ in den Seitenkapellen in Santa Trinità dei Monti (Rom) aus. In den Folgejahren erhielt er – in argen finanziellen Nöten – durch Vermittlung seines Jugendfreunds →Anton Gf. Prokesch v. Osten zahlreiche Aufträge aus österr. Adelskreisen für religiöse Gemälde, Porträts und Familienbilder. 1834 gewann T. den Wettbewerb um die Ausführung eines Gemäldes für den Kreuzaltar in der neu erbauten Pfarrkirche Sant’Antonio in Triest (Enthüllung 1838), womit er seinen künstler. und materiellen Erfolg begründete. Ende 1838 bewarb er sich in Nachfolge von →Josef Stark um die Stelle des Dir. der Ständ. Zeichnungs-Akad. und Bildergalerie in Graz, 1840 erfolgte seine Ernennung (zu seinen Schülern zählten →Ferdinand Mallitsch, →Karl Reichert und →Mathilde v. Hartenthal). Nach 1848 regte sich bereits aus aufgeklärten liberalen Kreisen um Franz Mitterbacher, Bibliothekar am Joanneum, Josef Wastler, Prof. an der TH in Graz, und →Johann Passini Widerstand gegen den streng konservativen, kirchl. ausgerichteten Akad.unterricht T.s: Ein Untersuchungsausschuss unter →Christian Ruben forderte etwa die Errichtung einer Kl. für die bisher völlig vernachlässigte Landschaftsmalerei. Im Frühjahr 1870 wurde T. wegen von ihm ausgeführter Fehlrestaurierungen (Übermalungen) zwangspensioniert. Zu seinem Œuvre zählen etwa das Hochaltarbild in der Pfarrkirche Bad Gleichenberg, 1844 (im Auftrag seines Gönners Matthias Konstantin Gf. Wickenburg, Vorentwurf und Einzelstud., Neue Galerie Graz), zahlreiche Kirchengemälde nach raffaelit. Vorbildern („Madonna mit Kind und Heiligen“, 1842, Neue Galerie Graz; „Die fünf klugen Jungfrauen unter dem Schutze Mariens“, 1855, Mausoleum, Grazer Dom) sowie Porträts des steir. Adels, des Bürgerstands und der Geistlichkeit. T. wurde 1833 – gem. mit Jean A. D. Ingres – in die Erzbruderschaft des Campo Santo Teutonico aufgenommen, 1838 wurden ihm die Insignien der Congregazione dei virtuosi al Pantheon verliehen. Sein Neffe, der Maler und Graphiker Robert Paul T. (geb. Lölling, Ktn., 30. 1. 1831; gest. Olsa/Friesach, Ktn., 25. 3. 1872; röm.-kath.), war der Sohn von Aloys T. (geb. Salla, Stmk., 1794), Verweser der gräfl. Christallnigg-Eisenwerke in Lölling, und Johanna T., geb. Obersteiner. Er zeigte bereits früh ein großes Zeichentalent und stud. – angeregt durch die künstler. Erfolge seines Onkels – 1856–59 an der ABK in München (Antikenkl. bei Johann Georg Hiltensperger und Historienmalerei bei Hermann Anschütz). I. d. F. lebte er – unverheiratet – vornehml. bei seinem Bruder Hermann T., Werksverweser in Olsa, und seiner Schwester Cäcilia Drasch in Vordernberg. In seinen Arbeiten widmete er sich v. a. dem Porträt; Tle. seines Œuvres befinden sich in der Neuen Galerie Graz sowie in Privatbesitz. Er war mit →Johann Max Tendler (s. u. →Johann Patriz Tendler), dem steir. Bildhauer Josef Veiter und dem Leobener Maler Philipp Kofler befreundet.

Weitere W.: s. Thieme–Becker; Wurzbach; Klabinus.
L.: Kleine Ztg., 25. 11. 2012; Fuchs, 19. Jh.; SBL; Thieme–Becker (m. tw. W.); Wastler; Wurzbach (m. tw. W.); F. Klabinus, Der steir. Nazarener J. T., phil. Diss. Graz, 1934 (m. tw. W.); Die Nazarener in Österr. 1809–1939, red. Ch. Steinle, Graz 1979 (Kat.); Die Nazarener in Rom, Roma 1981, S. 260 (Kat.); H. Schindler, Nazarener. Romant. Geist und christl. Kunst im 19. Jh., 1982, s. Reg.; R. List, Kunst und Künstler in der Stmk. 2, 1982; Gesamtkat. der Gemälde, ed. W. Skreiner u. a., Graz 1988, S. 329 (Kat.); Ch. Steinle, in: Kontinuität und Identität, FS für W. Skreiner, ed. P. Weibel u. a., 1992, S. 182ff.; The Dictionary of Art 31, 1996; M. I. Tanzmeister, A. Gf. Prokesch-Osten und seine archäolog. Smlgg., geisteswiss. DA Graz, 2014, S. 30ff. – Robert Paul T.: O. Schellhammer, J. Veiter, R. P. T., Ph. Kofler, drei österr. Maler, 1952 (m. B.); P. W. Roth, in: Forschungen zur Landes- und Kirchengeschichte, FS …, ed. H. Ebner u. a., 1988, S. 447ff.
(Ch. Steinle)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 3f.
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