Tunner, Marie; Ps. Eugen Eisenstein (1844–1870), Pianistin, Musiklehrerin und Fachschriftstellerin

Tunner Marie, Ps. Eugen Eisenstein, Pianistin, Musiklehrerin und Fachschriftstellerin. Geb. Graz (Stmk.), 15. 4. 1844; gest. Leoben (Stmk.), 20. 10. 1870. Tochter des Malers →Joseph Ernst T. und seiner 2. Frau Maria T., Schwester der Malerin Silvia (Sylvia) T. (1851–1907), Cousine des Montanisten →Peter Ritter v. T. – T. erhielt eine sorgfältige Erziehung im Elternhaus. Schon früh zeigte sich ihre musikal. Begabung, ihr Klavierlehrer wurde →Carl Evers. Wann sie ihre ersten Konzertauftritte absolv., ist nicht belegt, sie könnten im Zusammenhang mit den von Evers in Graz veranstalteten Matineés Musicales stattgefunden haben. Wie für Frauen ihres Standes übl., trat auch T. ausschließl. unbezahlt und zu karitativen Zwecken auf, die aber mit klaren künstler.-erzieher. Zielen verbunden waren. Ihre Konzerttätigkeit scheint sich auf den Raum Graz beschränkt zu haben, doch war ihr Ruf als Pianistin überregional. Bes. Augenmerk verdienen die Programmgestaltungen T.s: Im Rahmen eines Solo-Klavierabends im Februar 1870 wich sie von der damals gängigen Mischung des Repertoires zugunsten einer hist.-chronolog. Präsentation ab. Als Vorbilder scheinen hier etwa die sog. Hist. Concerte gedient zu haben, aber auch einzelne Interpreten bzw. Interpretinnen, wie etwa Clara Schumann, die bereits 1866 in Graz aufgetreten war und dort Anfang 1870 ein Konzert mit chronolog. Programmfolge gegeben hatte. Wie die einzelnen Stücke künstler. aufzufassen seien, legte T. in gedruckten Programmeinführungen detailliert dar, diese gelten heute allerdings als verschollen. Neben ihrer Laufbahn als Pianistin beabsichtigte T. weitere Neuerungen im Musikleben einzuführen, insbes. im Bereich der Kirchenmusik. Zudem tat sie sich als Fachschriftstellerin hervor: In zwei Publ. erläuterte sie nicht nur ihre Grundsätze zum Klaviervortrag und zur Klaviertechnik, sondern auch die Interpretationsfacetten des damaligen Repertoires, wobei sie ausdrückl. die Bedeutung der älteren Komponisten (wie Johann Sebastian Bach und Scarlatti) für die künstler. Entwicklung der Klavierlernenden unterstrich. Eine Schrift über „Die Reinheit des Claviervortrages. Dem Idealismus in der Tonkunst gewidmet“ veröff. sie 1870 unter ihrem Ps., während „Die Reinheit der Claviertechnik“ erst 1885 posthum erschien, nachdem sie T.s Schwester Silvia vollendet hatte. Allerdings stehen hier weniger techn. Aspekte im Mittelpunkt, sondern das „ideale“ Klavierspiel, dem die Technik stets untergeordnet sein müsse. Die in ihren Schriften dargelegten Grundsätze vermittelte T. auch als Klavierlehrerin. Rund ein Jahrzehnt nach ihrem frühen Tod setzte das Interesse an ihrer Biographie und ihren Leistungen ein. Ihre Schriften werden heute dem Grundstock der dt.sprachigen klavierpädagog. Literatur zugerechnet, die sich mit ästhet. Fragen auseinandersetzt.

L.: R. Hamerling, in: NFP, 27. 3. 1874 (Abendausg.); Suppan; Wurzbach; E. Iberer, in: Bll. für Heimatkde. 57, 1983, S. 23f.; I. Harer, in: Frauen hör- und sichtbar machen ... 20 Jahre „Frau und Musik“ an der Univ. für Musik und darstellende Kunst Wien, ed. S. Chaker – A.-K. Erdélyi, 2010, S. 25ff.; Instrumentalistinnen-Lex. des Sophie Drinker Inst. (nur online, Zugriff 30. 4. 2014).
(R. Wiesinger)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 4f.
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