Tunner, Peter Ritter von (1809–1897), Montanist und Politiker

Tunner Peter Ritter von, Montanist und Politiker. Geb. Feistritz (Dt.feistritz, Stmk.), 10. 5. 1809; gest. Leoben (Stmk.), 8. 6. 1897; röm.-kath. Lediger Sohn des Gewerken Peter T. (1786–1844), Besitzer von Hammerwerken in Feistritz und Obergraden sowie eines Hochofens in Salla, 1823 Berg- und Hüttenverweser in Turrach, und der Dienstmagd Maria Stubenrauch, Neffe und Schwager des Malers →Joseph Ernst T., Cousin von →Marie T.; ab 1838 verheiratet mit Maria v. T., geb. Zahlbruckner (1813–1881). – Nach Besuch der Unterrealschule in Graz war T. 1827 Volontär im Eisenwerk Frantschach der Gebrüder Rosthorn, die ihm 1828–30 den Besuch des polytechn. Inst. in Wien ermöglichten. Seine berufl. Karriere begann mit der Leitung der Eisenhütte in Hammer bei Mauterndorf und setzte sich 1832–35 mit jener des Hammerwerks Katsch fort. 1835 schlug Erzhg. →Johann ihn als Prof. für Eisenhüttenkde. am Joanneum in Graz vor. Vorerst trat T. eine zweijährige Stud.reise durch Europa an und hatte damit einen aktuellen Überblick zum europ. Hüttenwesen, als er die Leitung der 1840 eröffneten Stmk.-Ständ. Montanlehranstalt in Vordernberg übernahm. T. stand der 1849 nach Leoben verlegten Lehranstalt, ab 1861 Bergakad. (heute Montanuniv.), bis 1874 als Dir. vor. T.s Ziel war es, das alpenländ. Montanwesen international konkurrenzfähig zu machen. In den ersten Jahren befasste er sich mit der Eisen- und Stahlerzeugung im Holzkohlenhochofen sowie in Frisch- und Puddelherden. Seine wichtigste Publ. aus dieser Zeit, die „Gemeinfaßliche Darstellung der Stabeisen- und Stahlbereitung in Frischherden … oder der wohlunterrichtete Hammermeister“, 1846 (2. Aufl. 1858), ist ein Hdb. zum prakt. Gebrauch. T. zählte zu den frühesten Verfechtern der Anwendung von Koks zur Roheisenerzeugung im Hochofen. Ab den späten 1850er-Jahren gehörte er zu den ersten Befürwortern des Bessemerverfahrens für die Stahlerzeugung und fungierte 1861 als Berater beim Bau der ersten Bessemerhütte Österr. in Turrach. I. d. F. setzte er sich für die Übernahme des Thomas- und des Siemens-Martin-Verfahrens zur Stahlerzeugung ein. Durch seine zahlreichen Auslandsreisen – u. a. besuchte er in offizieller Mission alle Weltausst. ab 1851 – galt er in der 2. Hälfte des 19. Jh. als einer der besten Kenner der europ. Eisenhüttentechnik. 1870 besuchte er auf Einladung des russ. Zaren die Eisenwerke im mittleren Uralgebiet. Sechs Jahre später lernte T. auch die US-amerikan. Eisenind. kennen. 1867–71 fungierte er als Abg. zum stmk. LT sowie 1867–73 zum RR; 1871 Min.rat. T. erhielt u. a. 1861 den Orden der Eisernen Krone III. Kl., 1874 das Komturkreuz des Franz Joseph-Ordens sowie 1878 die Goldene Bessemermedaille des Iron and Steel Inst. in London. Er war 1881 erstes Ehrenmitgl. des Ver. Dt. Eisenhüttenleute, Ehrenmitgl. des Iron and Steel Inst., des American Inst. of Mining Engineers in New York, der kgl. Akad. der Wiss. in Stockholm (Kungliga Vetenskapsakad.) und der New York Acad. of Sciences. 1864 erfolgte seine Erhebung in den Ritterstand. Seit 1955 vergibt der Ver. Eisenhütte Österr. (heute ASMET) eine P.-T.-Medaille.

Weitere W.: s. Poggendorff; Wurzbach. – Ed.: Berg- und Hüttenmänn. Jb. der k. k. Montan-Lehranstalt zu Leoben, 1850–60.
L.: Adlgasser; Hahn, 1867; Poggendorff 3 (m. W.); Wurzbach (m. W.); H. Lackner, in: Der Leobener Strauß 8, 1980, S. 245ff.; H. J. Köstler, in: 150 Jahre Montanuniv. Leoben 1840–1990, ed. F. Sturm, 1990, S. 761ff.; ders., in: res montanarum. Z. des Montanhist. Ver. Österr. 17, 1998, S. 9ff.; P. W. Roth, in: Bll. für Heimatkde. 74, 2000, S. 165ff. (m. B.); H. Lackner, in: Technik, Arbeit und Umwelt in der Geschichte, ed. T. Meyer – M. Popplow, 2006, S. 151ff.; H. J. Köstler, Dem großen Meister und Lehrer, 2008; G. B. L. Fettweis – ders., in: Die Anfänge geolog. Forschung in Österr., ed. B. Hubmann u. a., 2010, S. 97ff. (m. B.); H. J. Köstler, in: res montanarum. Z. des Montanhist. Ver. Österr. 47, 2012, S. 20ff.
(H. Lackner)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 5f.
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