Tuszynski, Ladislaus (1876–1943), Illustrator und Karikaturist

Tuszynski Ladislaus, Illustrator und Karikaturist. Geb. Lemberg, Galizien (L’viv, UA), 20. 6. 1876; gest. Wien, 21. 9. 1943. Sohn eines Ing. und von Amalie Tuszynska (1857–1902); verheiratet mit Gisela T., geb. Foltermayer (geb. 10. 2. 1874). – T. kam nach dem Tod des Vaters 1886 mit der Mutter nach Wien, wo er das Realgymn. besuchte und sein Talent im Freihandzeichnen erkannt wurde; an der Aufnahmeprüfung in die Kunstgewerbeschule scheiterte er jedoch. Nach Absolv. der Handelsschule für kaufmänn. Angestellte betätigte er sich aber weiterhin zeichner. und begann seine Laufbahn als Illustrator für das Magazin „Pschütt! Caricaturen“ und das „Neue Wiener Witzblatt“. Bald darauf lernte er den Schriftsteller →Vinzenz Chiavacci kennen, der ihn 1898 als Illustrator für das neu gegr. Sonntagsbl. „Wiener Bilder“ beschäftigte. Als die „Oesterreichische Kronen-Zeitung“ nach der Abschaffung des Ztg.stempels im Jänner 1900 herauskam, engagierten ihn Gustav Davis und →Leopold Lipschütz als Pressezeichner. Im Verlauf von fast vier Jahrzehnten zeichnete er rund 12.000 Bll. für diese Ztg. Bes. seine großformatigen Titelseitenillustrationen, der opt. „Aufmacher“ über polit. und lokale Ereignisse, Morde und Gerichtsprozesse oder prominente Persönlichkeiten, trugen zum Erfolg dieser Ztg. bei. T.s Stil war der eines Reporters, eines „Federphotographen“, der aufgrund seiner Imagination und Erfahrung Ereignisse detailgetreu nachempfand. Seine Illustrationen besaßen die Form eines großformatigen Einzelbilds. Häufig wurden Ereignisse, um die Dramatik zu erhöhen, aber auch als szen. Bildfolgen, mit integrierten „Großaufnahmen“ wichtiger „Akteure“ wie durch eine Photolinse vergrößert, gestaltet und ähnl. späteren Comic-Streifen mit redaktionellen Erläuterungen versehen. Außerdem illustrierte er Romane und Kurzgeschichten im Inneren der Ztg. Weiters führte er die Zusammenarbeit mit Chiavacci fort und verlieh dessen heiteren Figuren, z. B. der „Frau Sopherl“, einer Gemüse-Standlerin vom Wr. Naschmarkt, ebenso ein Gesicht wie der des „Herrn von Adabei“, die zehn Jahre nach Chiavaccis Tod in der „Kronen-Zeitung“ zum 1. Mal erschien und seit dem Neustart der Ztg. 1959 deren Ges.kolumne den Namen gab. Der „Adabei“ wurde so populär, dass ihm 1929 von Wilhelm Bednarz ein eigener Marsch komponiert wurde; in den 1920er-Jahren gab T. eine Auswahl von „Adabei“-Illustrationen in Buchform heraus. Während des 1. Weltkriegs war er zeitweilig der Kriegsmalergruppe im Kriegspressequartier zugeteilt und wandte sich schon damals dem Film zu. 1918 führte er erstmals Regie in einem Sascha-Film, ab 1919 beschäftigte er sich mit dem Zeichentrickfilm, konstruierte selbst ein Vorführgerät und gründete eine eigene Produktionsfa. (Film-Werke AG). Gem. mit Heinz Hanus realisierte er 1920 den ersten Trickfilm, „Die Jagd nach dem Kopfe“. Kurz darauf wurde er künstler. Beirat und Leiter der Trickfilmabt. der Produktionsfa. Astoria-Film. Seine Detektivgeschichten, Märchen und Werbefilme – meistens unter der Regie von Hanus (in einigen führte er selbst Regie) –, die bis 1923 entstanden, stießen auf positive Kritik, brachten ihm jedoch keinen dauerhaften kommerziellen Erfolg. Neben Mihály Kertész (Michael Curtiz) und Max Neufeld wirkte T. einige Jahre als Vorstandsmitgl. des Filmbunds. Nach dem Niedergang des europ. Trickfilms 1924/25 konzentrierte sich T. auf seine Tätigkeit als Zeichner und Illustrator. Gegenüber dem Tonfilm zeigte er sich anfangs skept. und verwies auf das ungelöste Synchronisationsproblem. Nach dem März 1938 stellte T. sein Können auch dem NS-Regime zur Verfügung, Ende 1940 trat er i. d. R. Auf Initiative der Österr. Staatsdruckerei wurde 1953, 1957 und 1968 eine Auswahl aus seinen Werken ausgest.; inzwischen gilt sein Nachlass als verschollen.

Weitere W.: Kalif Storch, 1921 (Regie); Das Weib des Irren, 1921 (Regie, Drehbuch); Die Puppe des Maharadscha, 1924 (Drehbuch).
L.: NWT, 20. 8. 1929, 8. 10. 1943; Kronen-Ztg., 28. 9. 1943, 1. 12. 1968; AZ, 25., Neuer Kurier (Beil.), WZ, 26. 1. 1957; Fuchs, Erg.Bd.; W. Haney, Die „Illustrierte Kronen-Zeitung“, phil. Diss. Wien, 1951, S. 51ff., 115f.; W. Holiczki, Die Entwicklung der Gerichtsberichterstattung in der Wr. Tagespresse von 1848 bis zur Jh.wende, 1972, S. 154, 249; H. Dichand, Kronen Ztg., 1977, s. Reg.; W. Fritz, Kino in Österr. 1896–1930 …, 2, 1981, s. Reg.; ders., Im Kino erlebe ich die Welt …, 1997, s. Reg.; S. Winkelmayer, Der österr. Zeichentrickfilm in der Stummfilmzeit, DA Wien, 2004, S. 73f., 129, 134ff., 166; Die Kunst des Einzelbilds, ed. Ch. Dewald u. a., 2010, s. Reg.; DÖW, KA, WStLA, alle Wien.
(Th. Venus)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 19f.
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