Tyroler, Armin (1873–1944), Oboist, Pädagoge und Konzertorganisator

Tyroler Armin, Oboist, Pädagoge und Konzertorganisator. Geb. Turóczszentmárton, Ungarn (Martin, SK), 14. 9. 1873; gest. KZ Auschwitz, Dt. Reich (PL), vermutl. 30. 10. 1944; mos., ab 1910 evang. AB. Sohn von Moritz T. und Franziska T., geb. Steiner, die in Wien als Gastwirte tätig waren, Vater von Grete Anna T., verheiratete Mosinger (geb. Wien, 1905); ab 1905 in 1. Ehe mit Hermine T., geb. Winkler (gest. 1938), in 2. Ehe ab 1940 mit Rudolfine T., geb. Popper, verheiratet. – T. stud. 1886–93 am KdM in Wien bei Richard Baumgärtel, →Robert Fuchs und →Josef Schalk. Nach Abschluss seines Oboen-Stud. erhielt er seine erste Anstellung am Grazer Landestheater. 1895 wechselte er ins Orchester des Hofburgtheaters, 1906 wurde er unter →Gustav Mahler Mitgl. des Hofoperntheaters und der Wr. Philharmoniker. Daneben unterrichtete er 1913–37 als Prof. am Neuen Wr. Konservatorium und übte eine Reihe weiterer Funktionen aus, so als Komiteemitgl. (1923–36) bei den Philharmonikern, als geschäftsführender Obmann der Vereinigung Wr. Musiker (1920–26) und kurze Zeit auch als Vizepräs. des Österr. Musikerverbands. Darüber hinaus war er Anwalt der Disziplinarkomm. des Musikerrings. Anfang 1937 trat T. als Philharmoniker i. d. R. Bekannt ist sein sozialpolit. Engagement für die Verbesserung der dienstrechtl. und wirtschaftl. Situation von Orchestermusikern. Als ausgewiesenes Organisationstalent war er Mitorganisator großer Gemeinschaftskonzerte, die zusammen mit den Philharmonikern, dem Wr. Sinfonieorchester und dem Volksopernorchester veranstaltet wurden. Mit den Erlösen wurden mittellose Musiker unterstützt. T. erhielt mehrere Ehrungen und Ausz.: 1931 den Jubiläumsring, 1933 den Prof.titel, die Ehrenmedaille für künstler. Verdienste und den Ehrenring der Stadt Wien sowie 1937 das Ritterkreuz des österr. Verdienstordens. Nach dem „Anschluss“ Österr. 1938 war er aufgrund seiner jüd. Herkunft der Verfolgung durch die Nationalsozialisten ausgeliefert. 1940–42 wurde das Ehepaar T. mehrfach zu einem Wohnsitzwechsel in Wien gezwungen. T.s Bemühung um eine Orchesterposition an der Stockholmer Oper im Frühjahr 1941 blieb erfolglos. Seiner Tochter Grete und ihrer Familie gelang im Herbst 1938 die von T. maßgebl. mitfinanzierte Flucht nach Großbritannien. Im Oktober 1941 versuchte Wilhelm Jerger, Vorstand der Wr. Philharmoniker, T. vor der drohenden Deportation ins KZ zu bewahren. Jergers Schreiben an Walter Thomas, Gen.-Kulturreferent von Gauleiter Baldur v. Schirach, blieb jedoch wirkungslos. Ein Ende Dezember 1941 erfolgter Unterstützungsversuch von Staatsoperndir. →Erwin Kerber hatte ebenfalls keinen Erfolg. Ende August 1942 wurden T. und seine Frau in das KZ Theresienstadt deportiert. Dort arbeitete er in der sog. Freizeitgestaltung, einer Abt. innerhalb der jüd. Selbstverwaltung, die für die Organisation des kulturellen Lebens im Lager zuständig war. Durch die furchtbaren Lebensbedingungen schwer erkrankt, wurde T. Ende Oktober 1944 gem. mit seiner Frau in das KZ Auschwitz überstellt, wo er vermutl. zwei Tage später ermordet wurde.

L.: oeml (m. B.); V. Ullmann, 26 Kritiken über musikal. Veranstaltungen in Theresienstadt, ed. I. Schultz, 1993, s. Reg.; E. Kobau – J. Bednarik, in: Wr. Oboen-Journal 39, 2008, S. 4ff. (m. B.); B. Mayrhofer – F. Trümpi, Orchestrierte Vertreibung, 2014, S. 62, 78ff. (m. B.); Website des Židovské muz. v Praze (Zugriff 27. 3. 2015); AdR, DÖW, Hist. Archiv der Wr. Philharmoniker, IKG, WStLA, alle Wien; Privatarchiv Familie Lancaster (Nachlass A. T.), Chichester, GB.
(B. Mayrhofer)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 30
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