Tyrš (Tirš), Miroslav; bis etwa 1848 Tirsch Friedrich (1832–1884), Turnlehrer und Kunsthistoriker

Tyrš (Tirš) Miroslav, bis etwa 1848 Tirsch Friedrich, Turnlehrer und Kunsthistoriker. Geb. Tetschen, Böhmen (Děčín, CZ), 17. 9. 1832; gest. Oetz (Tirol), um den 8. 8. 1884 (verunglückt oder Suizid). Sohn des Mediziners Jan Vincenc Tirsch und von Vincencie Tirsch, geb. Kirschbaum; ab 1872 verheiratet mit →Renáta Tyršová, geb. Fügner. – 1836 zog die Familie nach Döbling (Wien). Nach dem Tod seiner Eltern und seiner beiden Schwestern kam T. zu Verwandten in der Nähe von Jungbunzlau. Ab 1842 absolv. er das Akadem. Gymn. in Prag. Aufgrund gesundheitl. Probleme besuchte er 1844–46 das Rudolph-Stephany-Turninst., woraufhin er sich für eine Turnausbildung zu interessieren begann. Ab 1850 stud. T. zunächst an der jurid., dann an der phil. Fak. der Univ. Prag und hörte v. a. Vorlesungen über Kunstgeschichte, Ästhetik, Mathematik und Anatomie. Da er das antike Schönheitsideal schätzte, versuchte er, sich diesem anzunähern, und turnte ab 1853 regelmäßig im Malypetr-Inst., wo er Kontakte zu Persönlichkeiten des tschech. öff. Lebens pflegte. Ab 1855 arbeitete er als Lehrer im Schmidt-Turninst., 1858 erhielt er eine Stelle als Erzieher in der Familie des Fabrikanten Eduard Bartelmus in Neujoachimsthal. 1860 Dr. phil., scheiterte eine angestrebte akadem. Karriere allerdings. T. kehrte daraufhin 1861 nach Prag zurück, arbeitete zunächst wieder als Turnlehrer und engagierte sich in der tschech. Nationalbewegung. Ein erster Versuch, gem. mit Cornelius Schäffner einen tschech.-dt. Turnver. ins Leben zu rufen, blieb ohne Erfolg. 1862 gründete T. zusammen mit den Brüdern →Eduard Grégr und →Julius Grégr, mit Rudolf Prinz v. Thurn und Taxis (→Rudolf Frh. v. Troskow) sowie mit →Heinrich Fügner, dem er ab 1860 freundschaftl. verbunden war, die erste tschech. Turnorganisation Tělocvičná jednota Pražská, die später den Namen Sokol erhielt. T.ʼ Idee war es, durch diesen Ver. die tschech. fortschrittl. Kleinbourgeoisie in ihrem nationalen Bestreben zu fördern. Seine Ideale fanden bald Widerhall nicht nur in den böhm. Ländern, sondern auch unter den Südslawen. T., der zum Ver.obmann gewählt wurde, schuf eine neue tschech. Turnterminol., die er 1862 unter dem Titel „Tělocvičné názvosloví“ in der Monographie „Pravidla tělocvičné jednoty Pražské Sokol“ veröff. Ab 1882 fanden auf T.’ Veranlassung hin regelmäßig Sokol-Kongresse mit internationaler Beteiligung statt. 1881 wurde er zum Priv.Doz. für Kunstgeschichte an der tschech. TH, 1882 an der phil. Fak. der tschech. Univ. ernannt; 1883 ao. Prof. Von seinen Werken verdienen die von der Antike beeinflusste Stud. „Hod olympický“ (1868) sowie „Základové tělocviku“ (1873) Erwähnung. Gelegentl. verf. T. auch Beitrr. für →František Frh. v. Riegers „Slovník naučný“. 1870 initiierte er die Gründung der Z. „Sokol“. T. wurde 1873 in den RR gewählt. Schwierigkeiten in seiner wiss. und pädagog. Arbeit führten dazu, dass T. Ende der 1860er-Jahre zunehmend depressiv wurde. Erholung suchte er in den Tiroler Alpen, wo er von einer Wanderung nicht mehr zurückkehrte. Seine Leiche wurde wenige Tage später aufgefunden.

Weitere W. (s. auch Tyršová): J. Fügner, 1885 (gem. m. J. Müller); Úvahy a řeči Dr. M. T., ed. J. E. Scheiner, 2 Bde., 1894, 2. Aufl. 1910; M. T. Výbor z jeho úvah, řečí a spisů, ed. L. Jandásek, 1932; Dr. M. T. o umění, 6 Bde., 1932–37.
L.: Wurzbach; J. Scheiner, M. T. Stručný nástin života a působení jeho, 1884 (m. B.); ders., Dějiny Sokolstva v prvém jeho pětadvacetiletí, 1887, passim; Dr. M. T. … k stým narozeninám zakladatele Sokolstva, 1932 (m. B.); R. Tyršová, M. T., jeho osobnost a dílo 1–3, 1932–34 (m. W.); M. T. a jeho místo v dějinách české pedagogiky, ed. L. Reitmayer – V. Pařízek, 1989; J. Novotný, Sokol v životě národa, 1990, s. Reg. (m. B.); M. Marek, Kunst und Identitätspolitik, 2004, s. Reg.; R. Sak, M. T. Sokol, myslitel, výtvarný kritik, 2012 (m. B.).
(M. Makariusová)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 32f.
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