Ucekar, Carlo (1854–1902), Politiker und Schriftsetzer

Ucekar Carlo, Politiker und Schriftsetzer. Geb. Triest, Freie Stadt (Trieste, I), 11. 11. 1854; gest. ebd., 11. 5. 1902. Verheiratet mit Carolina Crammer. – U., dessen Vater früh verstarb, absolv. eine Lehre als Setzer in der Buchdruckerei des Österr. Lloyd. Diesen Beruf übte er zeit seines Lebens aus. In seiner Jugend war er Irredentist und mit →Wilhelm Oberdank befreundet, dem er 1878 bei der Fahnenflucht aus der österr. Armee half. 1883 trat U. der Società operaia triestina bei, einem frühen lokalen Arbeiterselbsthilfever. mit mazzinian.-irredentist. Ausrichtung. Im Zuge der Freundschaft zu seinem Kollegen Antonio Gerin wandte sich U. in den 1880er-Jahren dem Sozialismus zu und entfernte sich zunehmend von der italien.-nationalen Ideol. Zusammen mit Gerin und →Giovanni Oliva hatte er Anteil an der Gründung der ersten sozialist.-internationalist. Triestiner Organisation, der Confederazione operaia internazionale a Trieste, die jedoch bereits 1891 aufgelöst wurde. An ihrer Stelle wurde 1894 die Lega Socialdemocratica gegr., die sich mit der gesamtösterr. Sozialdemokrat. Arbeiterpartei zusammenschloss und zu deren Anführer U. gewählt wurde. Wegen U.s mangelhafter Theorie- und Fremdsprachenkenntnisse wurden die Kontakte zur Wr. Parteizentrale und zur Zweiten Internationale Gerin überlassen. Um der Partei Rückhalt in der Triestiner Bevölkerung zu verschaffen, versuchte U. Kontakte zu lokalen Anarchistenkreisen und den Gewerkschaften herzustellen, auch gegen den Willen der Wr. Parteileitung. Schon bald nach ihrer Gründung durchlebte die von U. geleitete Lega interne organisator. und ideolog. Krisen, insbes. wegen der Nationalitätenfrage. Die Beziehungen zu Wien wurden immer angespannter, während die Gründung einer eigenen slowen. küstenländ. sozialist. Vereinigung, des Občno delavsko izobraževalno, pravovarstveno in podporno društvo za Primorsko, zu heftigen Auseinandersetzungen vor Ort führte. U. hielt an der Meinung fest, dass eine solche nationale Trennung der Einheit der Triestiner Arbeiterschaft schaden würde, obwohl er sich andererseits stets für das Italien. als einzige offizielle Sprache starkmachte. Obschon er bei den Wahlen 1897 seinem nationalliberalen Gegner →Attilio Hortis unterlag, konnte er die Einheit der Triestiner sozialdemokrat. Partei festigen. U. nahm im Juni 1897 am allg. österr. sozialdemokrat. Kongress in Wien als Vertreter Triests teil. Nach dem Rücktritt Gerins von der Leitung der Partei 1899 blieb er deren unbestrittener Anführer, ab 1900 unterstützte ihn bei der Parteiführung →Valentino Pittoni, sein späterer Nachfolger. Während schwieriger Verhh. mit dem Österr. Lloyd in Zusammenhang mit der Forderung nach besseren Arbeits- und Gehaltsbedingungen für die Heizer wurde im Februar 1902 ein Gen.streik der Arbeiter in Triest ausgerufen, der von der Polizei gewaltsam unterdrückt wurde. Bei dieser Gelegenheit und dem darauf folgenden Maiaufmarsch stellte U. seine Fähigkeiten als polit. Führungsfigur und Organisator unter Beweis. Von persönl. Schicksalsschlägen (Tod seiner Frau und seines 17-jährigen Sohns) heimgesucht, verstarb er unerwartet mitten in dieser stürm. Periode.

L.: PSBL; E. Maserati, Il movimento operaio a Trieste dalle origini alla prima guerra mondiale, 1973, s. Reg.; G. Piemontese, Il movimento operaio a Trieste, 1974, s. Reg.; M. Cattaruzza, Socialismo adriatico ... 1888–1915, 2001, s. Reg.; 1902–82. La lotta dei fuochisti, o. J., passim.
(F. Toncich)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 36
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