Uchatius (Ugazy), Franz Frh. von (1811–1881), Offizier und Waffentechniker

Uchatius (Ugazy) Franz Frh. von, Offizier und Waffentechniker. Geb. Theresienfeld (NÖ), 20. 10. 1811; gest. Wien, 4. 6. 1881 (Suizid; Ehrengrab: Wr. Zentralfriedhof); röm.-kath. Sohn von →Vitus Ugazy (Uchatius) und Barbara Ugazy (Uchatius), geb. Mutzbauer, Bruder von Joseph Ritter v. U. (s. u.); ab 1842 verheiratet mit Anna Brandl. – Nach Besuch von vier Kl. Gymn. in Wr. Neustadt und Absolv. einer kaufmänn. Lehre in Wien (1826–29) trat U. als Kadett-Unterkanonier in das Feldart.rgt. Nr. 2 ein. Ab 1830 erfolgte seine Ausbildung im Bombardierkorps, wo er aufgrund seiner naturwiss. Interessen 1834 eine Laborantenstelle im dortigen physikal. Kabinett erhielt, ab 1836 besuchte er für zwei Jahre Vorlesungen am polytechn. Inst. in Wien. 1837 Feuerwerker, wurde er im selben Jahr Hilfslehrer beim Bombardierkorps. 1841 erfolgte seine Versetzung als Feuerwerker in die Geschützgießerei im Wr. Arsenal. Dort befasste sich U. mit der Erzeugung sowie Prüfung von Geschützen und Schießmitteln, womit er den Grundstein für seine späteren Erfindungen legte. 1840–47 bildete er daneben türk. Off. aus (1843 Lt.). U. stellte Daguerreotypien und Papierlichtbilder her, konstruierte eine Petroleumlampe mit Brenner und Zünder, erfand 1845 den ersten Friktionszünder, der die Treffsicherheit von Geschützen wesentl. verbesserte, und entwarf einen Projektor zur Darstellung bewegl. Bilder, wodurch er zu den Wegbereitern der Kinematographie zählt. 1848–49 nahm er mit dem Feldart.rgt. Nr. 3 an den Feldzügen in Ungarn und Italien teil. Während der Belagerung von Venedig konstruierte er gem. mit seinem Bruder mit Heißluft gefüllte Papierballons, an denen Sprengstoff befestigt war, der über der Stadt detonierte. Der Einsatz dieser U.-Bomben gilt als der erste Luftangriff, dennoch blieb dem 1848 zum Oblt. avancierten U. eine glänzende militär. Karriere zunächst versagt. Daher widmete er sich nach der Revolution weiteren Stud. und Erfindungen. 1849 besuchte er mähr. und schles. Eisenind.gebiete und setzte die dabei gewonnenen Erfahrungen gem. mit seinem Bruder bei seinem Entwurf für die Pläne zum Ausbau der Art.werkstätte im Arsenal ein. 1850–51 vertiefte er auf einer Reise durch Belgien, Frankreich, England und Dtld. seine Kenntnisse über die Art. und die Produktion von Kanonen. 1851 Hptm., gelang ihm 1854 die Entwicklung einer Methode zur genauen Bestimmung des Kohlenstoffgehalts im Roheisen. Im selben Jahr meldete er ein Patent für die Erzeugung von Gussstahl an, hatte damit aber keinen durchschlagenden Erfolg, da prakt. gleichzeitig Henry Bessemer ein wesentl. billigeres Gussstahlverfahren präsentierte. 1860 Mjr., übernahm U. ein Jahr später das Kmdo. über die Geschützzeugs-Art. (1863 Obstlt., 1867 Obst.), 1871 Kmdt. der Art.zeugsfabrik. In diesen Funktionen entwickelte er ein verbessertes Verfahren zur Erzeugung von Stahl, dem sog. U.-Stahl. Die von ihm verwendete Bronzelegierung war in der Herstellung von Kanonenrohren um 75 % billiger als der bis dahin gebräuchl. Gussstahl und sollte die Monarchie von Importen unabhängig machen. Vorerst wurden seine Ideen von Vorgesetzten als „Uchatius-Spinnerei“ abgetan, nach einer eingehenden Prüfung des Projekts stellte sich jedoch rasch dessen Tauglichkeit heraus. 1874 wurde das erste Geschütz aus U.-Bronze gegossen und bis 1877 die gesamte österr. Art. mit U.kanonen (System M. 1875) ausgestattet, die auch noch im 1. Weltkrieg Verwendung fanden. 1874 GM, konstruierte U. 1875 Ringgranaten und avancierte 1879 zum FML. 1881 kam es bei der Ausrüstung des Seehafens Pola zur Konkurrenz mit der Fa. Krupp. U. veröff. v. a. metallurg. Beitrr., insbes. in den „Sitzungsberichten der mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften“. Zudem machte er sich als Rätseldichter einen Namen. 1879 erschien sein Werk „Nüsse für Weihnachten 1879. 230 neue Rätsel“. U., der als einer der Pioniere der österr. Technik gilt, wurde 1857 Ritter des Ordens der Eisernen Krone III. Kl., 1877 jener der II. Kl. und erhielt 1875 das Kommandeurkreuz des St. Stephan-Ordens; 1865 k. M. der k. Akad. der Wiss. in Wien; 1875 Geh. Rat, wurde er 1876 in den Frh.stand erhoben. Sein Bruder Joseph Ritter v. U. (geb. Wr. Neustadt, 22. 1. 1809; gest. Wien, 24. 12. 1878; röm.-kath.) war ab 1848 mit Theresia Magdalena U., geb. Purtscher (gest. 1884), verheiratet. Joseph U. begann seine militär. Karriere 1826 als Unterkanonier beim Feldart.rgt. Nr. 2, avancierte im Mai 1828 zum Kanonier und im Dezember desselben Jahres zum Bombardier. 1833 wurde er Feuerwerker, 1839 Oberfeuerwerker und 1844 Unterlt. Der mit seinem Bruder zusammen durchgeführte Ballonangriff auf das belagerte Venedig bewirkte 1848 seine Beförderung zum Oblt.; 1851 Hptm. 2. Kl., 1854 Hptm. 1. Kl. 1858 pensioniert, trat er 1860 beim Zeugs-Art.-Kmdo. wieder in die Armee ein, wurde 1861 zum Mjr., 1865 zum Obstlt. und 1867 zum Obst. befördert. 1871 trat er i. d. R. Joseph U. nahm stets regen Anteil an den waffentechn. Versuchen seines Bruders, befasste sich selbst aber auch mit Feuerwerkerei und der Verwendung von Schießbaumwolle. Erwähnenswert ist seine mehrmals aufgelegte Publ. „Die Kunst-Feuerwerkerei zu Lande“ (1848), die eine detaillierte Zusammenschau zum Thema bietet. Musikal. begabt, schrieb er für seinen Bruder 1875 nach Einführung der Stahlbronze als Feldgeschützmaterial „Das Lied vom Uchatius“. 1857 erhielt er den Orden der Eisernen Krone III. Kl. und wurde in den Ritterstand erhoben.

Weitere W.: s. Wurzbach; Neuhold. – Nachlass: KA, Wien (auch von Joseph Ritter v. U.).
L.: WZ, 7. (Abendausg.), NFP, 9. 6. 1881; Die Furche, 4. 8. 1956; Rathaus-Korrespondenz, 18., Amtsbl. der Stadt Wien, 25. 10. 1961; ADB; Czeike; Egerländer Biograf. Lex. (m. B.); Wurzbach (m. W.); A. v. Lenz, Lebensbild des Gen. U., des Erfinders der Stahlrohrbronzegeschütze, 1904 (m. B.); W. Formann, Österr. Pioniere der Kinematographie, 1966, S. 18ff.; H. Jankowsky, Österr. große Erfinder, 2000, S. 63ff. (m. B.); H. Neuhold, Konkurrenz für Krupp. Das Leben des F. Frh. v. U., 2004 (m. B. u. W., auch für Joseph Ritter v. U., S. 231ff., m. B.); Ch. Ortner, Die österr.-ung. Art. von 1867 bis 1918, 2007, S. 73ff.; KA, Wien (auch für Joseph Ritter v. U.); Pfarre Sollenau-Theresienfeld, NÖ; Mitt. Hans Mück, Wien (gest.).
(D. Angetter)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 36ff.
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