Udržal, František (1866–1938), Politiker und Landwirt

Udržal František, Politiker und Landwirt. Geb. Unterroweň, Böhmen (Dolní Roveň, CZ), 3. 1. 1866; gest. Praha, Tschechoslowakei (CZ), 25. 4. 1938; röm.-kath. Aus einer Familie von Großbauern und Dorfrichtern stammend, Sohn des Landwirts František U. – Nach dem Besuch der Realschule in Pardubitz und der Landwirtschaftl. Akad. in Tabor stud. U. 1887/88 Agrarwiss. an der Univ. Halle an der Saale, bevor er Wirtschaftsbeamter in der Unterstmk., zuletzt auf Gut Drauhof bei Marburg, wurde. Ab 1894 Gutsbesitzer in seiner Heimatgmd., engagierte er sich für die Selbstorganisation der Zuckerrübenbauern, für regionale Agrarinteressen und in der tschech. Freisinnigen Nationalpartei. Als eine der Führungspersönlichkeiten der tschech. Bauernkongresse gründete und leitete U. ab 1896 den polit. Bauernbund für Ostböhmen in Pardubitz. 1897 beteiligte er sich als Mitgründer und Ausschussmitgl. am Verband der tschech. Landwirte und 1902 am Zentralverband der Zuckerrübenbauern in Böhmen. 1897 in den RR gewählt, gehörte der polit. führende Rübenbauernrepräsentant Böhmens 1899–1903 auch dem böhm. LT an und leitete den Meliorationsverband für Böhmen. Wegen einer polit. Rede verlor U. 1899 seinen Rang als Res.lt. 1903 wechselte er zur tschechoslaw. Agrarpartei, in die er 1905 auch den Bauernbund für Ostböhmen eingliederte. Als stellv. Parteivors. vertrat er 1903–18 die tschech. Agrarier im Wr. Parlament und 1907–14 in den Delegationen. 1907–13 leitete er den agrar. Klub und wirkte als Vizepräs. des überfraktionellen Tschechenklubs sowie 1911 der Slaw. Union. Zum liberalen großbäuerl. Flügel der Partei gehörend, galt U. 1907 als ministeriabel. 1913 verlor er jedoch den Rückhalt in Partei und Fraktion und unterlag dem radikaleren Flügel um →František Staněk. Ab 1911 Mitgl. des Tschech. Nationalrats, gründete er nach 1914 in Wien die wirtschaftspolit. Tschech. Agrar-Kanzlei, übernahm 1917 das Amt des „tschechischen“ Vizepräs. des AH und zeigte sich im 1. Weltkrieg meist staatsloyal. Ab Herbst 1918 Mitgl. des Tschechoslowak. Nationalausschusses, engagierte er sich i. d. F. für die tschechoslowak. Staatsgründung, organisierte als Vors. des Revolutionären Verteidigungsausschusses die Mobilisierung gegen Ungarn und verhandelte 1919 in Krakau über die tschechoslowak.-poln. Staatsgrenze. Mit Gründung der Republikan. Partei des landwirtschaftl. und kleinbäuerl. Volks wurde er stellv. Parteiführer und rückte 1919 in der Agrarbank, deren Verw.R. er ab der Gründung 1911 angehörte, zum Vizepräs. auf. 1918–35 Abg. und 1935–37 Senator der tschechoslowak. Nationalversmlg., war er in der Regel stellv. Fraktionsvors. sowie ab 1926 auch Präs. des vereinigten agrar. Parteiklubs der Abg. und Senatoren. Im AH nahm er bis 1920 das Amt des Vizepräs. ein und leitete meist den Wehrausschuss. 1921–25 und 1926–29 modernisierte er als tschechoslowak. Verteidigungsminister die Armee. 1929 übernahm er nach →Antonín Švehla d. J. das Amt des Ministerpräs. Angesichts der Agrar- und der Weltwirtschaftskrise bezog er nach den Wahlen von 1929 die tschech. und dt. Sozialdemokratie in die bis dahin übernationale bürgerl.-agrar. Koalitionsregierung ein. Der →Thomas Masaryk und dem „Burg“-Kreis nahestehende, liberale Politiker und pragmat. Vertreter des Freihandels wurde 1932 vom rechten Flügel seiner Partei zur Amtsaufgabe gedrängt. 1937 zog er sich ganz aus der Politik und der Leitung der Ersten Wechselseitigen Versicherung zurück. Danach engagierte er sich, wie schon seit 1925, für das Žižka-Denkmal und die Armeegedenkstätte in Praha-Žižkov sowie in Kultur- und Wirtschaftsver.

L.: Adlgasser; Luft; Otto; Album Representantů všech oborů veřejného života československého, red. F. Sekanina, 1927, S. 1163 (m. B.); Köpfe der Politik / Wirtschaft / Kunst und Wiss. in Europa. Tschechoslowak. Republik, (1936) (m. B.); H. Klepetař, Seit 1918 ..., 1937, S. 273ff.; V. Čada, in: Český časopis historický 22, 1974, S. 329ff.; P. Heumos, in: Die Erste Tschechoslowak. Republik als multinationaler Parteienstaat, ed. K. Bosl, 1979, s. Reg.; A. Klimek, Boj o Hrad 1–2, 1996–98, s. Reg.; F. Kolář, Politická elita ... Československa 1918–38, 1998, S. 275ff.; D. E. Miller, Forging political compromise ..., 1999, s. Reg.; Český biografický slovník XX. století 3, 1999; L. Morávková-Udžalová, Naše Roveň, 1999; J. Rokoský, in: Osobnost v politické straně, ed. P. Marek, 2000, S. 243ff.; M. Kohárová, in: K úloze a významu agrárního hnutí v českých a československých dějinách, ed. J. Šouša u. a., 2001, S. 89ff.; M. Charbuský, F. U., 2002 (m. B.); Politické strany 1, ed. J. Malíř – P. Marek, 2005, s. Reg.; R. Vondra, in: Historický obzor 18, 2007, S. 226ff.; J. Tomeš u. a., Tváře našich parlamentů, 2012, S. 501ff. (m. B.).
(R. Luft)   
PUBLIKATION: ÖBL 1815-1950, Bd. 15 (Lfg. 67, 2016), S. 41
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